Westeuropa

Bella Italia

Italia! Nur gut eine Woche dauert unsere Durchreise, und doch fühlt es sich an wie lange Ferien bei Freunden. Italien, die alte Bekannte, mit ihren vielen Gesichtern und Gegensätzen. Als Radfahrende werden wir hier mit Wohlwollen aufgenommen, denn die Italiener sind ja ganz angefressene Radsportler. Natürlich nicht so wie wir – mit viel Gepäck und schweren Velos -, sondern lieber mit dem schnittigen Renner, in hautengen sponsorenlogogespickten Shorts und Shirts, und am allerliebsten im Rudel. Dann fühlt Mann sich grad wie am Giro d’Italia! So flitzen sie an uns vorbei und fuchteln und rufen uns anerkennend zu. Oder fahren neben uns her und fragen nach dem Woher und Wohin. Die Vespafahrer tun das ebenfalls gerne und staunen ehrfürchtig, wenn wir als Ziel „Cina“ angeben. Dann brausen sie davon auf ihren wunderschönen roten, grünen, gelben oder braunen Vespas und wir dürfen noch eine Minute ihre unkatalysierte Abgaswolke geniessen.

Vermutlich ist Italien das Land mit der grössten Dichte an Fahrradwegtafeln, was nicht gleichbedeutend mit einem brauchbaren Radwegnetz ist. Immer in Dorfnähe beginnt so etwas wie ein Trottoir, das als offizieller Radweg deklariert wurde. Nur gibt es wohl ein Gesetz, das die Zufahrten zu den einzelnen Häusern zur Privatsache erklärt, weshalb der Radweg ungefähr alle 15 Meter kurz aufgehoben ist, ganz ordentlich mit einer grossen blauen Tafel beschildert. Gleich danach beginnt er dann von neuem, wiederum ganz ordentlich mit einer grossen blauen Tafel gekennzeichnet. Uns ists egal, denn erstens sind diese Radwege meist in einem noch schlechteren Zustand als die Strasse und zweitens enden sie oft recht abrupt und am völlig falschen Ort.

Überhaupt scheint es in Italien zwei Infrastrukturen zu geben: Die moderne Autostrada, die Frecciarossa-Hochgeschwindigkeitszüge, die mondänen Palazzi und Piazze in Städten wie Trieste, während draussen in den Provinzen alles lottert und bröckelt und die Fahrt auf der asphaltierten Strasse an eine Piste in der marokkanischen Wüste erinnert. Bezeichnend der Strassenarbeiter, der mit einem Kübel frischem Teer von Hand die gröbsten Schlaglöcher stopft. Aber kann es vielleicht sogar sein, dass gerade dieser Hauch von Zerfall den Charme der Städte und Dörfer ausmacht?

Hunde hat es auch eine Menge, auf jeden Einwohner geschätzte drei Stück. Glücklicherweise sind sie in eingezäunten Vorgärten und haben fürs Velofahrer-Ankläffen einen relativ eingeschränkten Wirkungskreis. In den Städten haben sich Gadgethunde à la Paris Hilton durchgesetzt, die das Frauchen in die Handtasche stecken kann, damit sie nicht von einer Taube gefressen werden oder bei Regen eine Erkältung kriegen. Ein weiterer Vorteil dieser Gattung Hunde ist, dass ihre Häufchen physiologisch bedingt wesentlich kleiner sind und somit weniger Schaden anrichten.

Stil muss sein, koste es, was es wolle. Wir fallen mit unseren Outdoor-Klamotten total aus dem Rahmen in einem Land, wo fast jeder und vor allem jede immer tiptop gekleidet herumspaziert. Zu Amusement unsererseits führt dies zum Beispiel am Lago di Caldonazzo, wo die junge Mama fürs Familienfoto auf ihren Stilettos im sumpfigen Boden beinahe festgesteckt ist. Wir müssen auf eine stilvolle Anpassung an die lokalen Sitten leider verzichten, verweisen aber gerne auf die Regeln, wie man gut angezogen à l’italienne daherkommt.

Und dann das Essen! Egal, in welche Bar man stolpert, immer gibts einen köstlichen Caffè. Frühabends dann Aperitivo, wo zum Aperol Spritz allerhand Häppchen gereicht werden. Pizza, Pasta, Risotto, Dolci – eigentlich sollten wir unsere Route anpassen und eben doch erst einen Giro d’Italia machen…

3 Kommentare

    • Yvonne

      Oléolé! Wenn wir so weiterradeln klappt das locker! 🙂
      P.S. Bitte im Gepäck 70x1cm Platz reservieren für unsere Reparaturzeltstange! *g*

  • Emma

    „Bezeichnend der Strassenarbeiter, der mit einem Kübel frischem Teer von Hand die gröbsten Schlaglöcher stopft“

    Italia sollte sich ein Beispiel an uns geschäftstüchtigen Südis nehmen. Hier werden die zahlreichst vorhandenen Löcher nicht (jedenfalls nicht sofort) mit Teer gestopft, sondern findige Privatpersonen sändelen sie liebevoll (immer wieder) zu und stellen sich dann mit dem Sandkübel an den Strassenrand und sammeln Spenden von den dankbaren Autofahrern…

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