Griechenland

Von Hitzeschlägen, Allergieattacken und 4000 Höhenmetern

Wir haben es geschafft! Nach vier Tagen und 4000 sauer verdienten Höhenmetern in den Beinen haben wir die griechischen Berge endlich bezwungen. Und was haben wir gelitten… doch alles schön der Reihe nach.

Das ultraschnelle Tragflügelboot setzt uns aus Albanien in nur 45 Minuten auf griechischen Boden. Während die mitreisenden Albaner und ihre zahlreichen Waren am Zoll auseinandergenommen werden, winkt man uns am Hafen von Korfu mit einem freundlichen griechischen Lächeln durch. Und da sind wir: Neues Land, neues Glück!

Das erste, was uns sofort ins Auge sticht: Im Gegensatz zum Albaner, der bis spätnachts klaglos in seinem Lädeli sitzt und auf Kundschaft wartet, arbeitet der Grieche sonntags nicht. Bäckereien, Supermärkte und sogar Tankstellen sind bei unserer sonntäglichen Ankunft verwaist. Da herrscht Krise, aber Mister Greek macht mal Pause. Ha!

Das zweite, was uns auffällt: Im Supermarkt gibts Feta in der praktischen 2-Kilo-Packung und das Olivenöl im kleinen 5-Liter-Tank. Und jedes vierte griechische Wort ist „Taxi“. Taxi?? Wir lernen, dass „Daxi“ die Kurzform von „Endaxi“ ist – was so viel bedeutet wie „in Ordnung“, „ok“ (liebe Griechen unter euch, wir haben das hoffentlich richtig interpretiert? :-)). So also wie in Kroatien alles „dobro“ war, ist hier alles „daxi“. Ab sofort mischen wir uns wie Profis unter die Einheimischen, sagen Kalimera, Yassas und Taxi. Daxi!

Während wir auf Korfu herumkurven, erstaunt uns etwas weiteres: Immer wieder treffen wir auf überdimensionierte, rote Eier, und man wünscht uns frohe Ostern. „Kinder, Kinder“, denken wir, „so langsam könntet ihr die Osterdeko schon reinräumen?“. Eine Einheimische schliesst unsere massive Wissenslücke: Neben den lateinischen Ostern gibts auch noch orthodoxe Ostern, die eben dieser Tage stattfindet. Und wehe dem, der denkt, das müsste doch alles am gleichen Datum sein!

Irgendwann ist fertig lustig mit süssem Nichtstun und legèrem Strandleben, denn am Horizont warten bereits die berüchtigten griechischen Berge. Und da müssen wir durch – es führt kein andrer Weg nach Küssnacht! Äh, China.

Die Fähre setzt uns nach eineinhalb Stunden Überfahrt in der Hafenstadt Igoumenitsa ab. Es ist 12 Uhr mittags und die Sonne brennt. Motiviert fahren wir los, die ersten paar Kilometer gehen noch flott von der Hand. Doch bald folgt die erste Steigung, und die ist happig. Ohne Schatten, die Sonne knallt erbarmungslos, die Temperaturanzeige auf dem Velocomputer zeigt 40 Grad, und mir wird immer schwummriger. Die Beine fühlen sich an wie Gummi, und in den Ohren saust das Blut. Notfallmässig stoppen wir unter einem Baum, und in mir kommen Bilder aus Marokko hoch. Wüste, unerträgliche Hitze, und vor allem: der Kreislauf kurz vor dem Kollaps.

Entweder ist Christian massiv besser isoliert (kann leider nicht sein), oder ich vertrage Hitze immer schlechter. Ab 37 Grad, senkrecht brennender Sonne, 50 Kilo unter dem Füdli und Steigungen von mehr als 5 Prozent sagt das System: „Nö du, ohne mich“. Der Kopf will, die Beine wollen, mit dem Herz ist auch alles daxi, aber wenn der Kreislauf streikt, geht gar nichts mehr. Und man kann sich vorstellen: Das Drama ist perfekt. Sie, mit Tränen in den Augen: „So komme ich nie nach China!“ Er, beruhigend: „Ach was, es IST aber auch heiss!“ Anstatt klein beizugeben und alles zurück ans Meer zu fahren, einigen wir uns auf ein kühles Cola in einem schattigen Beizli, wo wir die nächsten Stunden überbrücken. Am späteren Nachmittag gehts weiter, und wir können es kaum fassen: Erst Abends um 20 Uhr fällt das Thermometer unter die 30 Grad Marke. Wie wir später erfahren, ist das für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich. Na danke!

Kurz bevor die Nacht einfällt, stellen wir mitten in der Wildnis unser Zelt auf. Bei einem Gläsli Ouzo, den man uns geschenkt hat, hecken wir eine neue Taktik aus. Ab sofort wird bei Dämmerung aufgestanden, so dass man kurz vor Mittag schon am Tagesziel ist. Zufrieden mit dem neuen Plan lassen wir die Pasta blubbern und lauschen dem friedlichen Glockengeläut aus der Ferne sowie einem eigentümlichen Gesang. Das müssen wohl die vorösterlichen Feierlichkeiten sein. Klingt allerdings mehr wie beim Muezzin.

Am nächsten Morgen sind wir bei Sonnenaufgang auf den Rädern, und der Velofahrerin‘ Kreislauf frohlockt ob den angenehmen 13 Grad. Na, geht doch! Doch irgendwann kommt zwangsläufig die Sonne und der nächste schweisstreibende Anstieg, und wir sind froh, es kurz vor Mittag in die Studentenstadt Ioannina zu schaffen. Kaum angekommen, überfällt uns mitten im Strassencafé der Schnupfen. Und das ganze artet in eine recht peinliche Dauer-Niesserei aus. Was ist denn das jetzt? Allergie? Hallo? Ich, die bis jetzt noch nie an Heuschnupfen gelitten hat? Die Pollenplage wird zum echten Problem. Aus den Augen tropfen nonstop die Tränen und unser Nastuchvorrat schrumpft gefährlich.

Am nächsten Morgen fahren wir noch früher los, denn die Motivation hat sich jetzt verdoppelt: Nichts wie weg von der Hitze und den fiesen Pollen! Der Ausblick auf den See von Ioannina ist grandios und die Kilometer purzeln erstaunlich ring. Wir beschliessend deshalb, bis ins nächste Bergdorf weiterzuziehen, doch es wird trotz 1200 Metern über Meer schon wieder unerträglich heiss. Ich sehe nur einen Weg, wie wir das Ziel doch noch erreichen: Regelmässig Wasser über den Kopf giessen und weiterstrampeln….

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Obwohl wir dank Frühaufstehen mittlerweile an einem ansehnlichen Schlafmanko leiden, lassen wir es uns im griechischen „Skiresort“ Metsovo nicht entgehen, am Ostersamstag die Einheimischen zur Mitternachtsmesse zu begleiten. Ein spezieller Moment: Das ganze Dorf steht schweigend mit einer brennenden Kerze auf dem Kirchplatz, und mitten unter ihnen lesen Priester mit Vollbart und schwarzen Kapuzen ihre Litanei. Um Mitternacht knallt das Feuerwerk und dann fährt Herr und Frau Grieche im Auto nach Hause, selbstverständlich mit der brennenden Kerze in der Hand. Ein Bild für die Götter.

Am Tag Nummer vier unserer griechischen Alpenquerung setzen wir zum Grande Finale an: Es wartet der Katara-Pass auf 1700 m.ü.M. Skurril muten das Bergbähnli und der kleine Skilift an, an dem wir vorbeiradeln. Und dann kommt das grosse Stoppschild.

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Konsterniert konsultieren wir die Karte, aber es ist weit und breit kein Mensch in Sicht, der uns weiterhelfen könnte. Hat es oben noch Schnee? Ist die Strasse unpassierbar? Oder gar eine Brücke eingestürzt? Wir beschliessen, das Risiko auf uns zu nehmen und biegen in die gesperrte Passstrasse ein.  Na, wenigstens haben wir so den ganzen Platz für uns. Unser Zagen entpuppt sich als grundlos. Zwar ist die Route nicht in bestem Zustand, doch Schnee, Risse, Löcher und ein kleiner Erdrutsch sind für Zweiräder kein Problem.

Was anschliessend folgt, entschädigt uns für all die Mühen und die vielen Liter Schweiss, die wir am Berg vergossen haben: Die Abfahrt ist herrlich kühl während sich hinter uns ein gewaltiges Gewitter zusammenbraut. Und plötzlich trauen wir unseren Augen kaum: Vor uns türmt sich eine bizarre Felslandschaft auf, wie im besten Science-Fiction-Film. Je näher wir radeln, desto stiller werden wir. Die Hitze, die Pollenplage, das Schlafmanko und die schmerzenden Beine sind weggeblasen: Wir stehen vor Meteora, und was wir sehen, ist einfach nur grandios!

4 Kommentare

  • Monsieur T

    „Während die mitreisenden Albaner und ihre zahlreichen Waren am Zoll auseinandergenommen werden (…)“

    Wen wunderts? Uns bestimmt nicht. Sowas nennt sich dann wohl Retourkutsche; trifitige Gründe sind ja ausreichend vorhanden: heimlich Tzatziki-Rezept stibitzen und umbenamsen, nachts mit dem schnellen Schnellboot auf Korfu Schafe klauen (wohl fürs Tzatziki?!), aggressive Bunkerrhetorik und prolliges „unsere-südlichen-Nachbarn-sind-eh-doof-wie-alle-anderen-Nachbarn-übrigens-auch“-Denken…

    Auffahrtsgrüsse aus Zürich
    und
    keep blogging – dies ist fantastische Unterhaltung!

    P.S. Gerne nehmen wir 10 von euren 40 Grad (exklusive Killerpollen)…

    • Yvonne

      Wir würdens wahnsinnig gern tun… aber habens bis jetzt noch nicht gewagt… denken uns, wir warten besser bis zur Grenze, damit wir uns dann sofort ins Ausland absetzen können…

      Einfach so zum testen, müsste man in Griechenland ja schon mal noch einen ALBANISCHEN Salat bestellen! Oder alternativ gar einen türkischen Salat? So wie sich hier alle gegenseitig hassen, hätten wir dann wirklich den Salat! 🙂

  • Daniel Wulle

    Sonnig heissssse, spannende niessige Greece-Geschichten!!! Da macht ihr was durch… Yvonne pudelnass ist härzig und das Photo Chris vor dem Stop- und Einbahnschild ist cool! Soeben haben wir, Rosemarie, Kurt und Dani den ultra-spannenden Bericht gelesen. Die Eltern fahren nun um Mitternacht in ihre Italien-Wohnwagen-Holidays los… Danke für die Fourty-Birthday-Wishings yesterday. Good luck for you the next hot days. Blessings Dani & Co.

  • Daniel Wulle

    !-News aus der Gwaggä-Badi Beringen: die ersten 700 Meter dieser Freiluft-Badesaison sind geschwommen. Luft und Wasser 19,5 Grad, auch Yanik schwamm 100 Meter mit. Danach Pasta und spanioglischen Rotwein geniessen… Schöner Feiertag. Boccia, Tischtennis, Badmington, Fussball gehören weiter dazu, so ist der Nachmittag schnell vorbei! Wann findet dann in Greece die Auffahrt und Pfingsten statt, wenn die orthodoxen Ostern so spät gefeiert werden? Kühlen Abend Dani und Co.

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