China

China von A bis Z

China ist ein Land voller Gegensätze – kein Wunder, es ist ja auch riesig. Neben allem, was wir hier im Blog schon beschrieben haben, sind uns vor allem auch die kleinen Details in Erinnerung geblieben. Damit diese nicht zu kurz kommen, gibts zum Schluss noch „China von A bis Z“!

AAmerikaner? Mĕi guó? Das ist eine der am häufigsten gehörte Fragen in China. Für einen Chinesen scheint jeder mit weisser Haut aus den Vereinigten Staaten zu kommen, obwohl wir hier nicht sonderlich viele Amerikaner getroffen haben. Vielleicht ein Zeichen der Hassliebe zum letzten verbliebenen Rivalen auf dem Weg an die Spitze…?

BBabys. Chinas Ein-Kind-Politik ist augenfällig: Kinderwägen sind quasi nichtexistent und tatsächlich sieht man selten mehr als einen Spross pro Familie, welcher dafür auch ordentlich verwöhnt wird. Trotzdem hat man in China latent das Gefühl, es seien einfach zu viele Menschen da. Mitte November 2013 wurde nun bekannt, dass die Ein-Kind-Politik gelockert werden soll. Proscht Nägeli: Schon jetzt hat China mehr Einwohner als Nordamerika, Europa und Russland zusammen…

CChopsticks. Wir haben während unseres 58-tägigen Aufenthalts geschätzte 382 Stäbli benutzt, wo immer möglich wiederverwendbare. Oft gibt es aber nur Einwegbesteck und wir möchten uns gar nicht vorstellen, wie viel Holz in diesem Land tagtäglich zu Chopsticks verarbeitet wird. Man rechne: Wenn jeder der 1,34 Milliarden Chinesen pro Tag auch nur zwei Wegwerfstäbli benutzt, dann gute Nacht, oh Wald!

DDauerbeschallung. Der Chinese liebt es laut und lärmig. Je lauter, desto besser. Jeder Laden beschallt mit maximaler Lautstärke die Strasse. Im Stadtpark findet man statt Stille dicht nebeneinander Tanzgruppen und Solosänger, natürlich ein jeder mit einem Ghettoblaster bewaffnet. Die Müllabfuhr und das Reinigungsfahrzeug, sie dudeln unüberhörbar „Jingle Bells“ und „O Tannenbaum“ in der Endlosschlaufe. Töffs, Autos, Busse, Lastwagen – es wird gehupt, als wären wir taub und müssten von den Schallwellen vom Velo gefegt werden. Des Nachbars Fernseher im Hotel, er erfreut uns auch morgens um 2 Uhr mit martialischen Billigproduktionen. Wenn gerade mal nichts lärmt, wird das Mobiltelefon gezückt, das zumindest eine scheppernde Volksweise hergibt. Wir sind sicher: Der Chinese erträgt die Stille nicht.

EEnglisch. Fremdsprachenkenntnisse tendieren gegen Null. Good bye? Nie gehört! Rice? Verstehe kein Wort. Was will man Englisch lernen, wenn man doch Chinesisch kann! Trotzdem gibt es Städte, in denen uns Chinesen unvermittelt und aus dem nichts einfach „Hello!“ zurufen. Na also, geht doch!

FFotografieren. Knips, knips, knips macht der Chinese, in jeder erdenklichen Pose vor jeder möglichen und unmöglichen Attraktion. Meist trägt der betuchte chinesische Tourist gleich zwei oder drei Kamerasets mit sich herum, und nicht etwa von der billigen Sorte. Ein Zoomobjektiv so gross wie ein Baseballschläger gehört einfach dazu. Das Opfer wird dann ohne Scham abgelichtet: Ob Zentimeter vor einer arbeitenden Tibeterin oder direkt ins Gesicht des fremden Radlers. Am meisten aber fotografiert werden wir vermeintlich „heimlich“ mit dem Handy, ganz verstohlen hinter dem Ladenregal hervor. Peinlich aber, wenn der Auslöser dann ganz laut KNIPST…

GGross, gāo. Chinesen sind kleinwüchsig. Meist überragen wir sie um Kopflängen. Kein Wunder, starren sie uns an und sagen ungläubig: Hĕn gāo, sehr gross!

HEinen Helm führt der chinesische Motorradfahrer immer mit. Keinesfalls jedoch auf dem Kopf. Am Ellbogen baumelt er, abenteuerlich am Lenker montiert oder an einer eigens dafür angebauten Konstruktion an der Vordergabel. Möge der Motorroller dadurch vor bösen Sturzschäden gefeit sein!

IIndiskret. Der Chinese, das haben wir früh bemerkt, kennt das Konzept von Abstand und Privatsphäre nicht. Halten wir an und starren in unseren Reiseführer, steht garantiert einer dazu und starrt interessiert mit. Zücken wir das Handy, um auf der Karte unsere Position zu orten, beugt sich auch der Chinese interessiert darüber. Bei uns würde vor einer solchen Annäherung im Minimum noch ein „Hallo“ erfolgen. Hier macht man das auch schweigend, ohne sich zu kennen. Was am Anfang noch recht gewöhnungsbedürftig ist, beachten wir mit der Zeit gar nicht mehr. Es ist wohl weder Unverschämtheit noch mangelnder Anstand, sondern schlicht und einfach Kultursache. Hoffentlich.

JAm Joghurtbecher erkennt man, dass die chinesische Lebensmittelindustrie zwar weit fortgeschritten ist, aber es mit Verpackungen aller Art überhaupt nicht im Griff hat. Getränkedosen haben noch diese altertümlichen Laschen, die einem beim Öffnen entgegenspringen. Überhaupt wird überaus verschwenderisch mit der Ressource Alu umgegangen: Die Dosen sind derart massiv, dass das Leergewicht der Verpackung fast grösser ist als dasjenige des Getränks. Wasserflaschen sind bis zum Rand gefüllt und so läuft einem beim erstmaligen Öffnen garantiert ein Schwall Wasser über die Hände. Nüsse, Chips etc. sind oft so bombensicher eingeschweisst, dass man fast verhungert, bis man endlich an den Inhalt gelangt. Und eben die Joghurtbecher. Zieht man an der Lasche des Deckels und schwupp, ist dieser weg – nicht aber eine weitere zähe Plastikschicht, allerdings ohne Lasche. Da hilft nur noch Gewalt!

KKaraoke. Jeder Chinese ist ein kleiner Sänger. Glaubt er. Karaoke ist in den Ausgangsmeilen der absolute Tophit, die vielen Clubs mit der Abkürzung „KTV“ (steht für Karaoke Television) stellen jede andere Vergnügungsart in den Schatten. In Parks kann man sich für ein paar Yuan ein ganzes Orchester und Mikrofon mieten und dann lospraschallern, was das Zeug hält. Manche nehmen auch ihr eigenes kleines Mikrofon mit. Das klingt dann wie der Lautsprecher bei der Telefonkonferenz. Irgendjemand sollte es ihnen mal sagen: Schön tönt das alles nicht!

LLăo wài. Wo wir auftauchen, hören wir es laut oder leise tuscheln: Lăo wài! Oder Wài guó rén! Ausländer, Ausländer! Worauf dann in 0,000001% der Fälle (aufgerundet) ein Chinese sich ein Herz fasst und versucht, mit uns Ausserirdischen zu kommunizieren. Die übrigen rund 1,3 Milliarden Schlitzaugen glotzen uns stumm und regungslos an, fühlen sich nicht zuständig, rotzen weiter oder zünden sich eine Zigarette an.

MMéi yŏu. Es ist eines der meistgehörten chinesischen Wörter: Nein. Geht nicht. Kann nicht. Will nicht. Vielleicht auch: Hab ich nicht verstanden, sag ich einfach mal nein. Um zu fragen, ob es dieses oder jenes gebe, sagt der Chinese darum praktischerweise auch yŏu méi yŏu? Heisst so viel wie: Hat es, hat es nicht?

NNudeln. Glasnudeln. Mie-Nudeln. Reisnudeln. Eiernudeln. Hirsenudeln. Heisse Nudeln. Kalte Nudeln. Scharfe Nudeln. Brutal scharfe Nudeln. Und natürlich meist frisch und handgemacht. Nudeln sind unser Klassiker für die kurze Mittagspause unterwegs – in der Millionenmetropole, im verschlafenen Dorf im Hinterland, auf dem Mini-Schemel bei der Strassenküche, im gammeligen Hinterzimmer der Garagenbeiz. Oder, wenn kein Verpflegungsstand zu finden ist, aus dem Instant-Beutel mit etwas heissem Wasser angerührt. Schon für weniger als einen Franken wird man bestens verköstigt und holt sich die Kalorien fürs Nachmittagsprogramm!

OObrigkeit. China ist ein Polizeitstaat, man kann es nicht schönreden. Bei Protesten im Uigurenland verschwanden Zehntausende von Menschen. Im Tibet herrscht brutale Repression. Die Gründung von unabhängigen Gewerkschaften ist verboten, Presse- und Meinungsfreiheit gibt es nicht. Millionen von Dissidenten sind in Arbeitslagern oder psychiatrischen Kliniken inhaftiert. Das Internet ist streng zensuriert, dort stattfindende Diskussionen werden kontrolliert und Regimekritiker festgenommen. Blog-Anbieter, Facebook, Twitter, Youtube & Co.: alles gesperrt. Im Gegensatz zu Iran, Usbekistan oder Turkmenistan haben wir aber, sobald wir es mal ins Land geschafft haben, keine Probleme mit der Obrigkeit mehr. Weder unsere Pässe noch unser Gepäck werden je kontrolliert. Vermutlich nur deshalb, weil die Chinesen sowieso über jeden unserer Schritte Bescheid wissen…?

PSo ein Puff! Seit der totalen Verhüllung in Iran ist es auf unserer Route ostwärts nach und nach etwas liberaler geworden, obwohl noch bis ins tiefe Tibet hinein Frauen mit Kopftüchern die Anwesenheit der muslimischen Minderheit markierte. Han-China ist nun wieder freizügiger, als einem lieb ist. Im gepflegten Businesshotel gibts statt einer Minibar die Kondombar: Adrett auf einem Plastikschausteller präsentiert, kann man von der Gleitcrème bis zum Verhüeterli alles haben. Auch die Visitenkarten einiger leichtbekleideten Damen liegen bereit, falls man sich einsam fühlen sollte. Kurz darauf klingelt meist das Telefon und am anderen Ende bietet eine Frauenstimme ihre Dienste feil. Und unten an der Rezeption stehen neben den Zimmerpreisen für die Nacht gleich auch die Stundentarife. Lustigerweise nur in den teureren Hotels. In den billigen hat man seine wohlverdiente Ruhe.

QQualmen. Anders als bei uns ist das Rauchen hierzulande noch vorwiegend Männersache. Nur wenige junge, städtische Frauen greifen zum Glimmstengel. Die Jungs kompensieren das locker: Es wird gequalmt, was die erschreckend günstigen Zigipäckchen hergeben. Im Bus, im Restaurant, im Hotelzimmer, auf dem Motorrad, auf dem Klo, überall. Rauchverbote verkommen zur Bedeutungslosigkeit, die beachtet sowieso keiner. Doch das chinesische Paffen wird in nicht allzu ferner Zukunft böse Konsequenzen haben, meinen Experten.

RRuì Shì, so heisst die Schweiz auf Chinesisch. Aber wie auch immer wir es aussprechen, wir werden (zuerst) sicher nicht verstanden. Rue Schö? Rue Se? Rui Schö? Der Chinese versteht nur Bahnhof. Doch dann plötzlich: Ah, Rui Sö?! Sagten wir doch!!

SSehenswürdigkeiten, die diesen Namen verdienen, treffen wir eher spärlich an beziehungsweise sind über das ganze Riesenland verteilt – schlechte Voraussetzung für Velofahrer. Gibt es dann etwas Präsentables zu sehen, dann hat dies seinen Preis: Der Eintritt in einen Naturpark mit ein paar Seen oder in eine Tempelanlage kann dann pro Person schnell mal 30 Franken kosten, das Doppelte des Übernachtungspreises für zwei. Der Chinese schreckt auch nicht davor zurück, irgendwelche völlig unbedeutende Statuen, die nicht einmal eine Historie haben, zu einem nationalen Monument emporzustilisieren. Selbstverständlich ist für den Besuch dann auch ein Obolus zu entrichten. Immerhin hat die chinesische Regierung ihre Sehenswürdigkeiten mit einem Rating versehen. Bestnote: Vier mal A. Etwas anderes als AAAA-Sehenswürdigkeiten haben wir aber nie angetroffen.

TTelefon. Es ist das Ein und Alles des Chinesen. Jeder hat es am Ohr, mit Vorliebe aber direkt vor dem Mund. So schreit man den anderen in Volllautstärke an. Erschreckend ist aber vor allem, wo: Auf dem Velo, auf dem Roller, im Auto, im Lastwagen, im Bus, beim Essen und vermutlich auch noch im Bett.

UUhren. Einem Chinesen eine Uhr zu schenken, ist ein Sakrileg. „Uhr schenken“ heisst „sòngzhōng“ und trifft man bei der Aussprache den falschen Ton, bedeutet es „zur Beerdigung gehen“. Armbanduhren heissen allerdings ganz anders und sind auch sehr beliebt. Weilt ein Chinese in der Schweiz, muss er als Statussymbol zwingend eine Uhr nach Hause bringen. Sagen wir, woher wir kommen, deutet der Chinese sogleich auf die Armbanduhr und strahlt übers ganze Gesicht. Das nennt man gutes Marketing! Liebe Kollegen von der Schokoladen- und Käseindustrie, da gibt es wahrlich was aufzuholen.

VVakuumverpackte Hühnerfüsse als kleiner Snack gehört für die Chinesen einfach dazu. Bleich und tötelig ragen die Klauen aus der Plastikverpackung, und gerne nagt man auch an einem (hoffentlich) geräucherten Hühnerbein. Während wir im Supermarkt stundenlang bei Nutella, Cornflakes und sonstigen Kolonialwaren verweilen, können wir dafür die geräumige Abteilung „verpacktes Tierfleisch“ effizient und grossräumig umfahren.

WWasserkocher. Zu einer der grossen Errungenschaften Chinas küren wir den standardmässig in jedem Hotelzimmer vorhandenen Wasserkocher. So wie wir im Iran den Hotelzimmer-Kühlschrank lobgepriesen haben, freuen wir uns jeden Morgen über heisses Wasser für Tee, Kaffee oder gar eine kleine Ovomaltine. Man will ja nicht schon frühmorgens Nudelsuppe schlürfen. Gerne füllen wir bei dieser Gelegenheit gleich auch noch die Thermosflasche mit heissem Wasser für den Fall der Fälle, dass wir am Mittag für einmal selber Nudelsuppe kochen müssen. Mehr als nur praktisch!

XWie oft schauten wir sehnsüchtig zu ihm rüber, zum Xpressway mit piekfeinem Asphalt und breitem Pannenstreifen! Der Chinese kann eines perfekt: Autobahnen bauen. Schnell, effizient und fadengerade über alle Hindernisse hinweg, mit riesigen Brücken über tiefe Canyons und durch Tunnels mitten durch die störenden Berge. Derweil erkämpfen wir auf der Vorgängerstrasse, die sich uns in ganz unterschiedlichen Stadien des Verfalls präsentiert, jedes Seitental und jede Erhebung. Wir befürchten stark, dass mit jeder Meile Expressway mehr des Velofahrers Leben schwieriger wird. Während man die alten Strassen verfallen lässt, darf man mit dem Zweirad die neuen nicht betreten. Tja, auch eine Strategie, die ungeliebten Individualtouristen vom Land fernzuhalten.

YYin und Yang, Daoismus, überhaupt: Philosophie! Das scheinen im modernen China Reliquien aus ferner Zeit zu sein. Längst haben Smartphone und ein schickes Auto der Ethik der Vorväter den Rang abgelaufen. Schick ist, wer Geld hat und sich damit in den Konsumrausch stürzt. Kein Wunder, wird in China vor allem der Budai oder „Happy Buddha“ verehrt, erklärt uns jemand: Also jener „Buddha“ mit glücklichem Grinsen und fetter Wampe. Anstatt wie der Tibeter an ein fernes Leben nach dem Tod zu glauben, betet der Han-Chinese lieber für Glück und Reichtum im Hier und Jetzt.

ZZeichensprache. Die Chinesen sind in Scharade wirklich mies. Wenn wir unsere schlechten Chinesischkenntnisse mit Zeichensprache zu überbrücken suchen, verstehen sie meist nur Bahnhof. Hat man Andrea im Iran sofort verstanden, als sie aufs Spiessli zeigte, wie ein Huhn mit den Flügeln schlug und „Gackgack“ machte (grossartig wars, Andrea!! :-)), hätte man sie hier in China nur stumm angestarrt. WAS will die? Als ich in einem Hotel mittels Zeichensprache zu verstehen gebe, dass ich ein Zimmer auf auf der anderen Seite des Flurs möchte, kann ich rudern und zeigen, so viel ich will. Keine Ahnung, was die Fremde damit sagen möchte. Wir landen schlussendlich in einem anderen Hotel.

3 Kommentare

  • Kurt Wulle

    Wir haben ja einen Chinesen* als Nachbarn. Boat People aus Vietnam, die sind als Flüchtlinge von den Kommunisten in die Schweiz gekommen, nachdem die Amerikaner das Land fluchtartig verlassen hatten.
    Er ist schon lange Schweizer und arbeitet sinnigerweise in einer Uhrenfabrik IWC. Seine Frau hat er aus Ho Chi Minh Stadt ex.Saigon „geholt“.
    Das mit der Stille stimmt. Als da mal die Schwiegermutter für ein paar Wochen von Saigon kam, ertrug die unsere ländliche Ruhe kaum.

    * die sind überall!

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