Griechenland

Furts auf Abwegen – Unterwegs mit einer Rollkoffertouristin

Bereits bei meiner Ankunft fällt mir die charmant korrupte Art der Griechen auf… Mit dem Taxi ab dem Flughafen in die Innenstadt fällt pro Gepäckstück (Handtasche ausgenommen) ein Zuschlag von 3 Euro an, unabhängig davon, ob man es selber eingeladen hat oder nicht. Griechenland gilt es aufzuräumen! 🙂 Damit ist der Gesprächsstoff für mein bevorstehendes Treffen mit den ‚Furts‘ bereits vorprogrammiert!

Ich freue mich unglaublich auf das Treffen mit den ‚Furts‘ (wohlgemerkt haben sie es ohne Stress nach Thessaloniki genau auf meine Ankunftszeit geschafft)! Wir treffen uns am Aristoteles-Platz (Place to be in der zweitgrössten Stadt Griechenlands und von einnehmender Hässlichkeit) bei strömenden Regen! In Griechenland ist nicht einmal mehr auf das Wetter Verlass. Mit Schrecken denke ich an meinen Rollkoffer, in welchem sich nebst dem Schwimmsuit nur ein paar kurze Hosen und ein paar Sommerkleidchen befinden… Allerdings überwiegt die Wiedersehensfreude und mit einem Tag Vorsprung in Thessaloniki platze ich – schon fast Lokalmatador – mit den ‚Furts‘ rein in eine griechische Hochzeit!

Bevor mir dieser Gedanke untergeht, muss ich Euch noch kurz über das Bussystem in Thessaloniki berichten. Verzweifelt suchte ich zuvor den Bus Nummer 23, welcher mich auf die Hügel von Thessaloniki bringen sollte. Bus Nummer 23 finde ich nicht, weil niemand zu wissen scheint, dass es diese Busnummer überhaupt gibt. Man empfiehlt mir deshalb ein teures Taxi! Die Aussicht geniesse ich und nachher einen wohlgemerkt ‚kalten‘ Nescafé über den Hügeln der Stadt. Kalter Kaffee erfreut sich hier offensichtlich grosser Beliebtheit. Vielleicht liegt da der Hund der griechischen Krise begraben? Dies bringt mich zum nächsten Problem: freilaufende Hunde in der ganzen Stadt…!

Für den nächsten Tag verabrede ich mich mit den Furts für eine Sightseeing-Tour! Mal schauen, was die Stadt bei genauer Betrachtung bietet. Vorher muss ich jedoch von einer nächtlichen Episode berichten. Als verwöhnte Rollkoffertouristen buchte ich zum Schnäppchenpreis (vielleicht sind die Hotelpreise zu günstig?) ein Zimmer in einem der besten Hotels der Stadt. Was passierte in der Nacht? Von nächtlichen Gesängen und religiösen Gebeten geweckt, begebe ich mich auf den Balkon. Ich bin ja überhaupt nicht überrascht, als ich bemerke, dass meine Nachbarn auf dem Balkon mit zwei Herdplatten kochen und mit Flammen hantieren!! Ob der nächtlichen Störung verwöhnt mich die Hotelleitung am nächsten Tag mit dem Wechsel in eine super Suite! Die Krise Griechenlands kann wohl nicht an der Gastfreundschaft liegen! Wo dann? Dazu später mehr!

Am nächsten Tag machen wir die Billig-Variante einer Sightseeing-Tour. Auf dieser Tour sehe ich immer wieder Bus Nummer 23. Auffallend ist  sodann, dass die Geschäfte zu undefinierbaren Zeiten geöffnet haben. Eine wirkliche Regel ist dabei nicht erkennbar. Ebenfalls ist aufgefallen, dass das Byzantinische Museum trotz angegebener Öffnungszeit nicht geöffnet hat, man jedoch freundlich ‚eingeladen‘ wird, doch im Bistro nebenan ein Drink zu nehmen. Vielleicht streiken die griechischen Museumsmitarbeiter?

Unsere Reise geht weiter. Ich schnappe meinen Rollkoffer und fahre mit dem Taxi zur Busstation Chalkidiki (es gibt in Thessaloniki verschiedene Busbahnhöfe für die unterschiedlichen Regionen…, vielleicht wäre eine Zentralisierung nicht schlecht?). Wieder wird der Gepäckzuschlag fällig. Offenbar doch keine vermutete Korruption, sondern verabredete Mehreinnahmen der griechischen Taxifahrer. An der Busstation schaue ich etwas TV und sehe eine Zusammenfassung der am Tag zuvor von den ‚Furts‘ beobachteten Demonstration ‚für mehr Demokratie‘. Ob Ansätze der direkten Demokratie aus der Krise helfen könnten?

Ich fahre in das malerische Bergdorf Arnea, wo offensichtlich mit sehr viel EU-Geldern die makedonische Architektur für die Nachwelt erhalten werden sollte. Wirklich ein sehenswerter Ort, ohne viel Touristen. Dies merke ich vor allem, als ich mit meinem Rollkoffer auf dem Dorfplatz stehe und offensichtlich die Attraktion des Tages darstelle. Auf der Suche nach dem alten Stadthaus (heute ein Gasthaus mit ein paar wenigen, super schön renovierten Zimmern), erfahre ich, wie in einem kleinen Bergdorf das Buschtelefon noch funktioniert… Müde von der langen Busfahrt (ich kann mich ja nicht mit Yvonne und Christian vergleichen, welche auf dem Weg ins Bergdorf noch unzählige Höhenmeter überwinden müssen), setze ich mich auf die Stufen des geschlossenen Gasthofs. Was macht man in einer solchen Situation? Nichts. Fünf Minuten später kommt die Mutter des Pächters und redet auf Griechisch auf mich ein. Ich verstehe nichts und sie versteht mich nicht, aber sie zeigt mir ein schön lilafarbenes Zimmer (die ‚Furts‘ bekommen dann den Traum in Grün).

Das Dorf hat verschiedene Architekturwanderwege und ich mache mich auf dem Weg. Nach gerade mal 20 Meter werde ich angesprochen und in einen Honigladen gezogen. Nach fünf Honigproben entschliesse ich mich gezwungenermassen zum Kauf eines kleinen Honigglases, in der Hoffnung, dass mein Rollkoffer noch Platz übrig lässt (nach Abgabe der Ersatzteile an die ‚Furts‘ in Form einer Zeltstange sollte dies möglich sein). Danach werde ich ohne gefragt zu werden in die angeblich beste Taverne des Dorfes geführt, mit der Aufforderung, doch etwas zu essen zu bestellen. Nach so viel Aufregung genehmige ich mir bereits am späten Nachmittag ein Glas Wein. Auffallend ist, dass ich bei meinem zweitägigen Aufenthalt die gleichen Leute mindestens drei Mal gesehen habe und dies immer in unterschiedlichen Funktionen. Und dann dies: Die Polizei macht auch vor Arnea nicht halt. Da fährt plötzlich ein Hightech-Bus vor, mit der kleinen Aufschrift Polizei. Voll bewaffnete Beamte in Vollmontur entsteigen dem Bus, gehen sich mit Gyros und Eisbecher verpflegen und lassen den Bus mitten auf der Strasse stehen. Vorne und hinten bilden sich Autoschlangen, aber alle warten geduldig und beklagen sich nicht! Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamten ist in Griechenland trotz Krise offensichtlich doch noch nicht so weit fortgeschritten. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der Durchschnittspolizeibeamte in Griechenland daneben noch als Maurer arbeitet. Was würde wohl eine Staatsbeamtin wie ich in Griechenland noch gleichzeitig arbeiten? Als Nebeneinkommen noch einen Blumengeschäft betreiben oder im Sommer Zimmer vermieten? Mir würde dies gefallen, ich wollte ursprünglich ja ins Hotelgewerbe einsteigen. Aber ein Blumengeschäft namens ‚Stöckli‘ würde sich wohl auch nicht schlecht machen.

Unglaublich aber wahr. Yvonne und Christian kommen bereits um 16 Uhr ebenfalls in Arnea an… Dies, nachdem sie mehr als 1400 Höhenmeter überwunden haben. Wie man sich vorstellen kann, sind die ‚Furts‘ die Tagesattraktion Nummer zwei. Als ich dem Nikos, unserem Gastwirt, dann auch noch sein spezielles Messingweinkrüglein nach ungläubigen Blicken abkaufe, sind wir dann wohl auch das Abendgespräch.

Zurück zum Bussystem. Ich stehe am nächsten Tag wieder auf dem Dorfplatz, um den Bus nach Ouranopouli zu besteigen. Im Bus drinnen gibt es nun zusätzlich eine Person, welche Tickets verkauft. Ist ja schliesslich richtig, dass der Busfahrer nicht alles alleine machen muss! Über eine schöne Berglandschaft geht es vom Hinterland der Chalkidiki zur Halbinsel Athos. Das heisst, für uns Frauen ist bei Ouranopouli Schluss, da auf der selbstverwalteten Klosterinsel nur Männer zugelassen sind. Heute gibt es dort noch rund 25 Klöster und viele Einsiedeleien. Auch als männlicher Tourist müsste man ein Visum für die Insel beantragen. Da Christian schon genug Visa-Stress hatte, kommt er am nächsten Tag mit Yvonne und mir auf eine dreistündige Bootstour, auf der man die prächtigen Klöster bewundern kann. Am Ende der Insel braust plötzlich ein Schnellboot heran und dockt an unserem Schiff an. Diesem entsteigen zwei Mönche, die in der Folge allerlei Güter auspacken und diese an die vorwiegend aus Russen und Griechen bestehende Touristenschar verkaufen. Auch ich mische mich unter das Volk und erstehe eine kleine Holzschnitzerei. Man soll die Kirche ja schliesslich noch unterstützen! Ich lasse diese sogar auf dem improvisierten Altar segnen. Der Mönch beginnt mit mir zu sprechen und fragt schnell, woher ich komme. Nachdem das Wort ‚Elvetia‘ meinerseits gefallen ist, fragt er, ob ich denn der griechisch-orthodoxen Religion angehörig sei.  Nachdem ich zugebe, katholisch zu sein, winkt der Mönch ab und beendet abrupt unser Gespräch. Was für eine Enttäuschung! Die Toleranz der Kirche scheint hier nicht wirklich vorhanden zu sein, vor allem nachdem man mir bereits mein Geld abgenommen hat! Im Übrigen kann ich versichern, dass die Krise vor der griechisch-orthodoxen Kirche Halt gemacht hat, wenn ich sehe, wie die Pilger den Mönchen verstohlen Briefumschläge zustecken!

Nach einem Bad im Meer (aufgrund der doch eher kühleren Temperaturen hier schon fast ein Wunder…), wollen wir auf die Halbinsel Sithonia wechseln. Guten Mutes besteige ich den Bus in Ouranopouli. Dann wird mir gleich klar, dass ein Inselwechsel nicht so einfach geht… Ich muss nämlich nach Thessaloniki zurück und dort den Bus wechseln. Dort erfahre ich dann, dass die Busfahrt mich über die ganze Halbinsel Sithonia führt. Die Fahrt ist sehr schön, dauert jedoch fast vier Stunden… Zudem redet mein Sitznachbar (es gibt in diesem Bus übrigens nummerierte Plätze) auf mich ein und es stellt sich dann heraus, dass er Grieche ist und im Sommer für Novartis arbeiten kommt. Das Lustige daran: Er spricht fast kein Englisch und kein Wort Deutsch… 🙂 Ich rate ihm, er soll doch bis im Sommer noch sein Englisch verbessern und ein paar Bocken Deutsch lernen… ob er meinen gutgemeinten Rat jedoch überhaupt verstanden hat, wage ich zu bezweifeln…

In Sarti angekommen, suche ich uns eine Pension und wundere mich zuerst gar nicht, als der Besitzer etwas ungläubig schaut, als ich sage, ich müsste zuerst schauen, ob der Balkon genügend gross sei, damit meine Kollegen dort die Bikes hinstellen können. Nach der Ankunft der ‚Furts‘ stellte sich dann heraus, dass er meinte, sie kämen mit dem Motorbike… Im Sommer ist es wohl sehr touristisch in Sarti, zum jetzigen Zeitpunkt ist es sehr angenehm und es gibt rundherum sehr schöne Strände. Am Abend treffen wir eine Arbeitskollegin von Yvonne und deren Mann auf ein Nachtessen. Lustigerweise logieren die im gleichen Hotel, wo ich mich nun für die nächsten drei Tage und Nächte eingemietet habe, bevor ich wieder in Richtung Schweiz abhebe. Wellness und Strand sind nun angesagt… 🙂

Von Yvonne und Christian nehme ich nebst einigen Souvenirs und ein paar gebrauchten Velokarten die Unglaublichkeit ihres Vorhabens mit. Die Herausforderungen für die kommenden Länder dürften wohl noch zunehmen…!

Aus Griechenland nehme ich mit, dass die Krise mir hier nicht allzu offensichtlich erschien und dass es vor allem ein sehr schönes Land mit einem unglaublichen Potential ist… Vielleicht sind die Griechen in der Krise einfach etwas besser im Jammern als andere Länder? So sagte uns eine Frau, dass die Griechen es sich gewohnt seien, hart zu arbeiten, aber sie würden sich weder ihren Ouzo noch ihre Siesta rauben lassen!

Liebe Yvonne und Christian, passt auf Euch auf (!) und da mir der kleine Trip mit Euch super gut gefallen hat, überrasche ich Euch vielleicht dann noch an einer weiteren Destination… 🙂

Ein Kommentar

  • Yvonne

    Tja… jetzt wo du zurück bist in der kalten Schweiz, fängt auch für uns das Leben B wieder an! Niemand mehr, der am Übernachtungsort schon das Zimmer gebucht, die Sehenswürdigkeiten ausgecheckt und die Tavernen studiert hat – und sämtliche Einheimischen bereits beim Vornamen kennt! 🙂 Niemand mehr, der uns süsse Makronen zusteckt oder den Apéro-Retsina aus dem Hut zaubert. Niemand, der mit orthodoxen Priestern verhandelt, die gesamte Gegend per Bus bereist und von unterwegs lustige Status-Updates schickt. Du siehst, wir vermissen dich schon sehr! Schön, dass du da warst!

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