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---| 8. Mai 2013 | Yvonne Wir haben es geschafft! Nach vier Tagen und 4000 sauer verdienten Höhenmetern in den Beinen haben wir die griechischen Berge endlich bezwungen. Und was haben wir gelitten… doch alles schön der Reihe nach.
Das ultraschnelle Tragflügelboot setzt uns aus Albanien in nur 45 Minuten auf griechischen Boden. Während die mitreisenden Albaner und ihre zahlreichen Waren am Zoll auseinandergenommen werden, winkt man uns am Hafen von Korfu mit einem freundlichen griechischen Lächeln durch. Und da sind wir: Neues Land, neues Glück!
Das erste, was uns sofort ins Auge sticht: Im Gegensatz zum Albaner, der bis spätnachts klaglos in seinem Lädeli sitzt und auf Kundschaft wartet, arbeitet der Grieche sonntags nicht. Bäckereien, Supermärkte und sogar Tankstellen sind bei unserer sonntäglichen Ankunft verwaist. Da herrscht Krise, aber Mister Greek macht mal Pause. Ha!
Das zweite, was uns auffällt: Im Supermarkt gibts Feta in der praktischen 2-Kilo-Packung und das Olivenöl im kleinen 5-Liter-Tank. Und jedes vierte griechische Wort ist „Taxi“. Taxi?? Wir lernen, dass „Daxi“ die Kurzform von „Endaxi“ ist – was so viel bedeutet wie „in Ordnung“, „ok“ (liebe Griechen unter euch, wir haben das hoffentlich richtig interpretiert? :-)). So also wie in Kroatien alles „dobro“ war, ist hier alles „daxi“. Ab sofort mischen wir uns wie Profis unter die Einheimischen, sagen Kalimera, Yassas und Taxi. Daxi!
Während wir auf Korfu herumkurven, erstaunt uns etwas weiteres: Immer wieder treffen wir auf überdimensionierte, rote Eier, und man wünscht uns frohe Ostern. „Kinder, Kinder“, denken wir, „so langsam könntet ihr die Osterdeko schon reinräumen?“. Eine Einheimische schliesst unsere massive Wissenslücke: Neben den lateinischen Ostern gibts auch noch orthodoxe Ostern, die eben dieser Tage stattfindet. Und wehe dem, der denkt, das müsste doch alles am gleichen Datum sein!
Irgendwann ist fertig lustig mit süssem Nichtstun und legèrem Strandleben, denn am Horizont warten bereits die berüchtigten griechischen Berge. Und da müssen wir durch – es führt kein andrer Weg nach Küssnacht! Äh, China.
Die Fähre setzt uns nach eineinhalb Stunden Überfahrt in der Hafenstadt Igoumenitsa ab. Es ist 12 Uhr mittags und die Sonne brennt. Motiviert fahren wir los, die ersten paar Kilometer gehen noch flott von der Hand. Doch bald folgt die erste Steigung, und die ist happig. Ohne Schatten, die Sonne knallt erbarmungslos, die Temperaturanzeige auf dem Velocomputer zeigt 40 Grad, und mir wird immer schwummriger. Die Beine fühlen sich an wie Gummi, und in den Ohren saust das Blut. Notfallmässig stoppen wir unter einem Baum, und in mir kommen Bilder aus Marokko hoch. Wüste, unerträgliche Hitze, und vor allem: der Kreislauf kurz vor dem Kollaps.
Entweder ist Christian massiv besser isoliert (kann leider nicht sein), oder ich vertrage Hitze immer schlechter. Ab 37 Grad, senkrecht brennender Sonne, 50 Kilo unter dem Füdli und Steigungen von mehr als 5 Prozent sagt das System: „Nö du, ohne mich“. Der Kopf will, die Beine wollen, mit dem Herz ist auch alles daxi, aber wenn der Kreislauf streikt, geht gar nichts mehr. Und man kann sich vorstellen: Das Drama ist perfekt. Sie, mit Tränen in den Augen: „So komme ich nie nach China!“ Er, beruhigend: „Ach was, es IST aber auch heiss!“ Anstatt klein beizugeben und alles zurück ans Meer zu fahren, einigen wir uns auf ein kühles Cola in einem schattigen Beizli, wo wir die nächsten Stunden überbrücken. Am späteren Nachmittag gehts weiter, und wir können es kaum fassen: Erst Abends um 20 Uhr fällt das Thermometer unter die 30 Grad Marke. Wie wir später erfahren, ist das für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich. Na danke!
Kurz bevor die Nacht einfällt, stellen wir mitten in der Wildnis unser Zelt auf. Bei einem Gläsli Ouzo, den man uns geschenkt hat, hecken wir eine neue Taktik aus. Ab sofort wird bei Dämmerung aufgestanden, so dass man kurz vor Mittag schon am Tagesziel ist. Zufrieden mit dem neuen Plan lassen wir die Pasta blubbern und lauschen dem friedlichen Glockengeläut aus der Ferne sowie einem eigentümlichen Gesang. Das müssen wohl die vorösterlichen Feierlichkeiten sein. Klingt allerdings mehr wie beim Muezzin.
Am nächsten Morgen sind wir bei Sonnenaufgang auf den Rädern, und der Velofahrerin‘ Kreislauf frohlockt ob den angenehmen 13 Grad. Na, geht doch! Doch irgendwann kommt zwangsläufig die Sonne und der nächste schweisstreibende Anstieg, und wir sind froh, es kurz vor Mittag in die Studentenstadt Ioannina zu schaffen. Kaum angekommen, überfällt uns mitten im Strassencafé der Schnupfen. Und das ganze artet in eine recht peinliche Dauer-Niesserei aus. Was ist denn das jetzt? Allergie? Hallo? Ich, die bis jetzt noch nie an Heuschnupfen gelitten hat? Die Pollenplage wird zum echten Problem. Aus den Augen tropfen nonstop die Tränen und unser Nastuchvorrat schrumpft gefährlich.
Am nächsten Morgen fahren wir noch früher los, denn die Motivation hat sich jetzt verdoppelt: Nichts wie weg von der Hitze und den fiesen Pollen! Der Ausblick auf den See von Ioannina ist grandios und die Kilometer purzeln erstaunlich ring. Wir beschliessend deshalb, bis ins nächste Bergdorf weiterzuziehen, doch es wird trotz 1200 Metern über Meer schon wieder unerträglich heiss. Ich sehe nur einen Weg, wie wir das Ziel doch noch erreichen: Regelmässig Wasser über den Kopf giessen und weiterstrampeln….

Obwohl wir dank Frühaufstehen mittlerweile an einem ansehnlichen Schlafmanko leiden, lassen wir es uns im griechischen „Skiresort“ Metsovo nicht entgehen, am Ostersamstag die Einheimischen zur Mitternachtsmesse zu begleiten. Ein spezieller Moment: Das ganze Dorf steht schweigend mit einer brennenden Kerze auf dem Kirchplatz, und mitten unter ihnen lesen Priester mit Vollbart und schwarzen Kapuzen ihre Litanei. Um Mitternacht knallt das Feuerwerk und dann fährt Herr und Frau Grieche im Auto nach Hause, selbstverständlich mit der brennenden Kerze in der Hand. Ein Bild für die Götter.
Am Tag Nummer vier unserer griechischen Alpenquerung setzen wir zum Grande Finale an: Es wartet der Katara-Pass auf 1700 m.ü.M. Skurril muten das Bergbähnli und der kleine Skilift an, an dem wir vorbeiradeln. Und dann kommt das grosse Stoppschild.

Konsterniert konsultieren wir die Karte, aber es ist weit und breit kein Mensch in Sicht, der uns weiterhelfen könnte. Hat es oben noch Schnee? Ist die Strasse unpassierbar? Oder gar eine Brücke eingestürzt? Wir beschliessen, das Risiko auf uns zu nehmen und biegen in die gesperrte Passstrasse ein. Na, wenigstens haben wir so den ganzen Platz für uns. Unser Zagen entpuppt sich als grundlos. Zwar ist die Route nicht in bestem Zustand, doch Schnee, Risse, Löcher und ein kleiner Erdrutsch sind für Zweiräder kein Problem.
Was anschliessend folgt, entschädigt uns für all die Mühen und die vielen Liter Schweiss, die wir am Berg vergossen haben: Die Abfahrt ist herrlich kühl während sich hinter uns ein gewaltiges Gewitter zusammenbraut. Und plötzlich trauen wir unseren Augen kaum: Vor uns türmt sich eine bizarre Felslandschaft auf, wie im besten Science-Fiction-Film. Je näher wir radeln, desto stiller werden wir. Die Hitze, die Pollenplage, das Schlafmanko und die schmerzenden Beine sind weggeblasen: Wir stehen vor Meteora, und was wir sehen, ist einfach nur grandios!
---| 18. Mai 2013 | Gastbloggerin Cornelia Bereits bei meiner Ankunft fällt mir die charmant korrupte Art der Griechen auf… Mit dem Taxi ab dem Flughafen in die Innenstadt fällt pro Gepäckstück (Handtasche ausgenommen) ein Zuschlag von 3 Euro an, unabhängig davon, ob man es selber eingeladen hat oder nicht. Griechenland gilt es aufzuräumen! 🙂 Damit ist der Gesprächsstoff für mein bevorstehendes Treffen mit den ‚Furts‘ bereits vorprogrammiert!
Ich freue mich unglaublich auf das Treffen mit den ‚Furts‘ (wohlgemerkt haben sie es ohne Stress nach Thessaloniki genau auf meine Ankunftszeit geschafft)! Wir treffen uns am Aristoteles-Platz (Place to be in der zweitgrössten Stadt Griechenlands und von einnehmender Hässlichkeit) bei strömenden Regen! In Griechenland ist nicht einmal mehr auf das Wetter Verlass. Mit Schrecken denke ich an meinen Rollkoffer, in welchem sich nebst dem Schwimmsuit nur ein paar kurze Hosen und ein paar Sommerkleidchen befinden… Allerdings überwiegt die Wiedersehensfreude und mit einem Tag Vorsprung in Thessaloniki platze ich – schon fast Lokalmatador – mit den ‚Furts‘ rein in eine griechische Hochzeit!
Bevor mir dieser Gedanke untergeht, muss ich Euch noch kurz über das Bussystem in Thessaloniki berichten. Verzweifelt suchte ich zuvor den Bus Nummer 23, welcher mich auf die Hügel von Thessaloniki bringen sollte. Bus Nummer 23 finde ich nicht, weil niemand zu wissen scheint, dass es diese Busnummer überhaupt gibt. Man empfiehlt mir deshalb ein teures Taxi! Die Aussicht geniesse ich und nachher einen wohlgemerkt ‚kalten‘ Nescafé über den Hügeln der Stadt. Kalter Kaffee erfreut sich hier offensichtlich grosser Beliebtheit. Vielleicht liegt da der Hund der griechischen Krise begraben? Dies bringt mich zum nächsten Problem: freilaufende Hunde in der ganzen Stadt…!
Für den nächsten Tag verabrede ich mich mit den Furts für eine Sightseeing-Tour! Mal schauen, was die Stadt bei genauer Betrachtung bietet. Vorher muss ich jedoch von einer nächtlichen Episode berichten. Als verwöhnte Rollkoffertouristen buchte ich zum Schnäppchenpreis (vielleicht sind die Hotelpreise zu günstig?) ein Zimmer in einem der besten Hotels der Stadt. Was passierte in der Nacht? Von nächtlichen Gesängen und religiösen Gebeten geweckt, begebe ich mich auf den Balkon. Ich bin ja überhaupt nicht überrascht, als ich bemerke, dass meine Nachbarn auf dem Balkon mit zwei Herdplatten kochen und mit Flammen hantieren!! Ob der nächtlichen Störung verwöhnt mich die Hotelleitung am nächsten Tag mit dem Wechsel in eine super Suite! Die Krise Griechenlands kann wohl nicht an der Gastfreundschaft liegen! Wo dann? Dazu später mehr!
Am nächsten Tag machen wir die Billig-Variante einer Sightseeing-Tour. Auf dieser Tour sehe ich immer wieder Bus Nummer 23. Auffallend ist sodann, dass die Geschäfte zu undefinierbaren Zeiten geöffnet haben. Eine wirkliche Regel ist dabei nicht erkennbar. Ebenfalls ist aufgefallen, dass das Byzantinische Museum trotz angegebener Öffnungszeit nicht geöffnet hat, man jedoch freundlich ‚eingeladen‘ wird, doch im Bistro nebenan ein Drink zu nehmen. Vielleicht streiken die griechischen Museumsmitarbeiter?
Unsere Reise geht weiter. Ich schnappe meinen Rollkoffer und fahre mit dem Taxi zur Busstation Chalkidiki (es gibt in Thessaloniki verschiedene Busbahnhöfe für die unterschiedlichen Regionen…, vielleicht wäre eine Zentralisierung nicht schlecht?). Wieder wird der Gepäckzuschlag fällig. Offenbar doch keine vermutete Korruption, sondern verabredete Mehreinnahmen der griechischen Taxifahrer. An der Busstation schaue ich etwas TV und sehe eine Zusammenfassung der am Tag zuvor von den ‚Furts‘ beobachteten Demonstration ‚für mehr Demokratie‘. Ob Ansätze der direkten Demokratie aus der Krise helfen könnten?
Ich fahre in das malerische Bergdorf Arnea, wo offensichtlich mit sehr viel EU-Geldern die makedonische Architektur für die Nachwelt erhalten werden sollte. Wirklich ein sehenswerter Ort, ohne viel Touristen. Dies merke ich vor allem, als ich mit meinem Rollkoffer auf dem Dorfplatz stehe und offensichtlich die Attraktion des Tages darstelle. Auf der Suche nach dem alten Stadthaus (heute ein Gasthaus mit ein paar wenigen, super schön renovierten Zimmern), erfahre ich, wie in einem kleinen Bergdorf das Buschtelefon noch funktioniert… Müde von der langen Busfahrt (ich kann mich ja nicht mit Yvonne und Christian vergleichen, welche auf dem Weg ins Bergdorf noch unzählige Höhenmeter überwinden müssen), setze ich mich auf die Stufen des geschlossenen Gasthofs. Was macht man in einer solchen Situation? Nichts. Fünf Minuten später kommt die Mutter des Pächters und redet auf Griechisch auf mich ein. Ich verstehe nichts und sie versteht mich nicht, aber sie zeigt mir ein schön lilafarbenes Zimmer (die ‚Furts‘ bekommen dann den Traum in Grün).
Das Dorf hat verschiedene Architekturwanderwege und ich mache mich auf dem Weg. Nach gerade mal 20 Meter werde ich angesprochen und in einen Honigladen gezogen. Nach fünf Honigproben entschliesse ich mich gezwungenermassen zum Kauf eines kleinen Honigglases, in der Hoffnung, dass mein Rollkoffer noch Platz übrig lässt (nach Abgabe der Ersatzteile an die ‚Furts‘ in Form einer Zeltstange sollte dies möglich sein). Danach werde ich ohne gefragt zu werden in die angeblich beste Taverne des Dorfes geführt, mit der Aufforderung, doch etwas zu essen zu bestellen. Nach so viel Aufregung genehmige ich mir bereits am späten Nachmittag ein Glas Wein. Auffallend ist, dass ich bei meinem zweitägigen Aufenthalt die gleichen Leute mindestens drei Mal gesehen habe und dies immer in unterschiedlichen Funktionen. Und dann dies: Die Polizei macht auch vor Arnea nicht halt. Da fährt plötzlich ein Hightech-Bus vor, mit der kleinen Aufschrift Polizei. Voll bewaffnete Beamte in Vollmontur entsteigen dem Bus, gehen sich mit Gyros und Eisbecher verpflegen und lassen den Bus mitten auf der Strasse stehen. Vorne und hinten bilden sich Autoschlangen, aber alle warten geduldig und beklagen sich nicht! Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamten ist in Griechenland trotz Krise offensichtlich doch noch nicht so weit fortgeschritten. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der Durchschnittspolizeibeamte in Griechenland daneben noch als Maurer arbeitet. Was würde wohl eine Staatsbeamtin wie ich in Griechenland noch gleichzeitig arbeiten? Als Nebeneinkommen noch einen Blumengeschäft betreiben oder im Sommer Zimmer vermieten? Mir würde dies gefallen, ich wollte ursprünglich ja ins Hotelgewerbe einsteigen. Aber ein Blumengeschäft namens ‚Stöckli‘ würde sich wohl auch nicht schlecht machen.
Unglaublich aber wahr. Yvonne und Christian kommen bereits um 16 Uhr ebenfalls in Arnea an… Dies, nachdem sie mehr als 1400 Höhenmeter überwunden haben. Wie man sich vorstellen kann, sind die ‚Furts‘ die Tagesattraktion Nummer zwei. Als ich dem Nikos, unserem Gastwirt, dann auch noch sein spezielles Messingweinkrüglein nach ungläubigen Blicken abkaufe, sind wir dann wohl auch das Abendgespräch.
Zurück zum Bussystem. Ich stehe am nächsten Tag wieder auf dem Dorfplatz, um den Bus nach Ouranopouli zu besteigen. Im Bus drinnen gibt es nun zusätzlich eine Person, welche Tickets verkauft. Ist ja schliesslich richtig, dass der Busfahrer nicht alles alleine machen muss! Über eine schöne Berglandschaft geht es vom Hinterland der Chalkidiki zur Halbinsel Athos. Das heisst, für uns Frauen ist bei Ouranopouli Schluss, da auf der selbstverwalteten Klosterinsel nur Männer zugelassen sind. Heute gibt es dort noch rund 25 Klöster und viele Einsiedeleien. Auch als männlicher Tourist müsste man ein Visum für die Insel beantragen. Da Christian schon genug Visa-Stress hatte, kommt er am nächsten Tag mit Yvonne und mir auf eine dreistündige Bootstour, auf der man die prächtigen Klöster bewundern kann. Am Ende der Insel braust plötzlich ein Schnellboot heran und dockt an unserem Schiff an. Diesem entsteigen zwei Mönche, die in der Folge allerlei Güter auspacken und diese an die vorwiegend aus Russen und Griechen bestehende Touristenschar verkaufen. Auch ich mische mich unter das Volk und erstehe eine kleine Holzschnitzerei. Man soll die Kirche ja schliesslich noch unterstützen! Ich lasse diese sogar auf dem improvisierten Altar segnen. Der Mönch beginnt mit mir zu sprechen und fragt schnell, woher ich komme. Nachdem das Wort ‚Elvetia‘ meinerseits gefallen ist, fragt er, ob ich denn der griechisch-orthodoxen Religion angehörig sei. Nachdem ich zugebe, katholisch zu sein, winkt der Mönch ab und beendet abrupt unser Gespräch. Was für eine Enttäuschung! Die Toleranz der Kirche scheint hier nicht wirklich vorhanden zu sein, vor allem nachdem man mir bereits mein Geld abgenommen hat! Im Übrigen kann ich versichern, dass die Krise vor der griechisch-orthodoxen Kirche Halt gemacht hat, wenn ich sehe, wie die Pilger den Mönchen verstohlen Briefumschläge zustecken!
Nach einem Bad im Meer (aufgrund der doch eher kühleren Temperaturen hier schon fast ein Wunder…), wollen wir auf die Halbinsel Sithonia wechseln. Guten Mutes besteige ich den Bus in Ouranopouli. Dann wird mir gleich klar, dass ein Inselwechsel nicht so einfach geht… Ich muss nämlich nach Thessaloniki zurück und dort den Bus wechseln. Dort erfahre ich dann, dass die Busfahrt mich über die ganze Halbinsel Sithonia führt. Die Fahrt ist sehr schön, dauert jedoch fast vier Stunden… Zudem redet mein Sitznachbar (es gibt in diesem Bus übrigens nummerierte Plätze) auf mich ein und es stellt sich dann heraus, dass er Grieche ist und im Sommer für Novartis arbeiten kommt. Das Lustige daran: Er spricht fast kein Englisch und kein Wort Deutsch… 🙂 Ich rate ihm, er soll doch bis im Sommer noch sein Englisch verbessern und ein paar Bocken Deutsch lernen… ob er meinen gutgemeinten Rat jedoch überhaupt verstanden hat, wage ich zu bezweifeln…
In Sarti angekommen, suche ich uns eine Pension und wundere mich zuerst gar nicht, als der Besitzer etwas ungläubig schaut, als ich sage, ich müsste zuerst schauen, ob der Balkon genügend gross sei, damit meine Kollegen dort die Bikes hinstellen können. Nach der Ankunft der ‚Furts‘ stellte sich dann heraus, dass er meinte, sie kämen mit dem Motorbike… Im Sommer ist es wohl sehr touristisch in Sarti, zum jetzigen Zeitpunkt ist es sehr angenehm und es gibt rundherum sehr schöne Strände. Am Abend treffen wir eine Arbeitskollegin von Yvonne und deren Mann auf ein Nachtessen. Lustigerweise logieren die im gleichen Hotel, wo ich mich nun für die nächsten drei Tage und Nächte eingemietet habe, bevor ich wieder in Richtung Schweiz abhebe. Wellness und Strand sind nun angesagt… 🙂
Von Yvonne und Christian nehme ich nebst einigen Souvenirs und ein paar gebrauchten Velokarten die Unglaublichkeit ihres Vorhabens mit. Die Herausforderungen für die kommenden Länder dürften wohl noch zunehmen…!
Aus Griechenland nehme ich mit, dass die Krise mir hier nicht allzu offensichtlich erschien und dass es vor allem ein sehr schönes Land mit einem unglaublichen Potential ist… Vielleicht sind die Griechen in der Krise einfach etwas besser im Jammern als andere Länder? So sagte uns eine Frau, dass die Griechen es sich gewohnt seien, hart zu arbeiten, aber sie würden sich weder ihren Ouzo noch ihre Siesta rauben lassen!
Liebe Yvonne und Christian, passt auf Euch auf (!) und da mir der kleine Trip mit Euch super gut gefallen hat, überrasche ich Euch vielleicht dann noch an einer weiteren Destination… 🙂
---| 21. Mai 2013 | Christian Pfingstsonntagabend im Zelt auf der Halbinsel Sithonia. Vor uns erstreckt sich einer der schönsten Strände Chalkidikis im Abendlicht. Die Grillen zirpen, bald werden die Leuchtkäfer blinkend herumschwirren und später die Sterne eine würdige Kulisse für unser Openair-Zimmer darbieten. Die letzten Wochenendbesucher verlassen im Halbdunkel den Strand, bald sind der Mond und wir allein. Zwei Wochen ist es her seit unserem letzten Beitrag und die Meteora-Felsnadeln scheinen schon wieder in weiter Ferne. Zwei Wochen, in denen wir nicht sehr weit nach Osten gefahren sind, sondern viel eher kreuz und quer durch das uns unbekannte Nordgriechenland. Für Radler ein Traum: Viele der zurückgelegten Strecken sind wenig befahren. Dies haben wir nicht zuletzt der neuen Autobahn „Egnatia Odos“ zu verdanken, die sich abenteuerlich mit vielen Kunstbauten durch die bergige Landschaft windet. Damit ist die alte, gut ausgebaute Staatsstrasse zum Zubringer einiger Dörfer degradiert und wir haben viel Platz und Ruhe.
Vom Skifahrer-Mekka Metsovo (wir haben einen altertümlichen Einersessellift entdeckt) über den Katara-Pass kommend, treffen wir am späten Nachmittag gerade vor den ersten Regentropfen in Kastraki ein. Dieses kleine Dorf schmiegt sich direkt an die gewaltigen Meteora-Felsen, ein wunderbarer Ort zum Verweilen! Die nächsten Tage erkunden wir abwechslungsweise zu Fuss oder mit dem Velo die Natur und die Klöster. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – wir haben versucht, einige der magischen Stimmungen in der Fotogalerie festzuhalten. Uns hat der Blick von unten besser gefallen als aus den Klöstern heraus – so wirken die Felsnadeln dramatischer mit ihren kirchlichen Refugien drauf, Adlerhorsten gleich. Die Mönche haben ihr ureigenes Rezept zur Krisenbekämpfung gefunden: So wurden die Eintrittspreise von zwei Euro kurzerhand auf drei Euro erhöht. Aus der vorgedruckten Zwei auf dem Ticket wird schwungvoll von Hand eine Drei und schon ist der Einnahmenstrom um die Hälfte erhöht. Geht doch!
Irgendwann müssen dann auch wir aufbrechen. Kurz die Vorräte im Supermarkt auffüllen! Wir stehen vor dem Gestell mit Knorr-Beuteln und werweissen, ob es sich hier um Fertigsuppen oder nur um ungewohnte Saucentypen handelt – der griechische Text und die Bilder auf der Verpackung können das Rätsel leider nicht lösen. Da dreht sich eine Griechin um und klärt uns in astreinem Deutsch auf: „Ja, das ist eine Pilzcrèmesuppe!“ Meeerci! Wir nutzen das regnerische Wetter und legen die eher unspektakuläre Strecke durch das bäuerliche Hinterland im Eiltempo zurück. Es geht flach durch endlose Felder und wir navigieren einigermassen zielsicher auf unbefahrenen Nebensträsschen, als bei einer kurzen Pause plötzlich ein Auto neben uns hält. Ein älterer Herr fragt freundlich, ob wir Kaffee mögen. Aber gerne! Er fährt uns voraus zu seinem nahen Haus, wo wir im Trockenen von Jiannis und seiner Frau mit Kaffee, Kuchen und selbstgekeltertem Wein verwöhnt werden. Mit einem Mix aus Englisch, Deutsch und Griechisch tauschen wir uns aus und versprechen, nach unserer Rückkehr aus der Schweiz eine Postkarte zu schicken – an einer aus China waren sie lustigerweise nicht so interessiert. 😉

Nach Larissa starten wir am Folgetag definitiv unsere Griechenland-Kreuz-und-Quer-Tour. Statt der Autobahn folgend direkt nach Saloniki zu fahren, geht es ostwärts durch hügeliges Land ans Meer. Die Kirschen sind reif und an der Strasse werden die süssen Früchte zu drei Euro das Kilo feilgeboten. Mmmmh! Am Strand angekommen, finden wir noch recht verschlafene Nester vor. Da und dort wird im Hinblick auf die Saison gestrichen, aber die meisten Apartements und vor allem die wenigen Zeltplätze sind verriegelt. Wir entdecken ein etwas abgeschiedenes Strandstück am Dorfende von Koutsoupia – unser perfektes Nachtlager inklusive Abend- und Morgenbad im Meer! Am späteren Abend kommen einige Angler und werfen ihre Köder aus. Im Halbschlaf vernehmen wir das Zischen der Angelschnur beim Wurf. Von Zeit zu Zeit werden die Angeln kontrolliert, die hüpfenden Stirnlampen der arbeitenden Fischer sind durch unser Zeltnetz lustig anzusehen. Am Morgen kurz nach 6 Uhr begrüsst uns der Tag mit einem grandiosen Sonnenaufgang über dem Thermaischen Golf. Für einmal können wir unser Fitnessprogramm in Form von Liegestützen oder Rumpfbeugen im kühlen Sand absolvieren…
Zwei weitere Tage stehen im Zeichen der Weiterfahrt nach Thessaloniki, denn dort wartet Besuch auf uns! Links erhebt sich der Olymp, rechts erstrecken sich lange, flache Sandstrände, zeitweise unterbrochen von kurvigen Felsnasen. Im Sommer geht hier die Post ab, jetzt schläft noch alles. Ein kräftiger Rückenwind macht die Hitze etwas erträglicher, genauso wie der Rasensprinkler vor einer Kirche. Wir fahren durch herrlich rote Getreidefelder, gefärbt von tausenden Mohnblumen. Erinnerungen an die Kindheit werden wach, wo das auch bei uns noch gang und gäbe war. Dazu duften die blühenden Sträucher und Bäume um die Wette, als gälte es, eine Parfumerie zu übertrumpfen. Ein Tag später, nach einer regnerischen Sonntagsfahrt, haben wir es geschafft: Kalispera Thessaloniki, jassas Cornelia!
Zugegeben: Bis kurz vor Saloniki war von Krise so gut wie gar nichts zu spüren. Hier und da ein Klagen über die hohen Preise und den Teuro, aber das war es auch schon. Die Vororte der Stadt hingegen präsentieren uns eher Anzeichen von Zerfall und Krise. Streckenweise erinnert uns die Szenerie an Nordafrika. Dass die Griechen vielleicht nicht immer ganz den Fokus auf die richtigen Prioritäten legen, hat Cornelia in ihrem Gastblog ja bereits ausführlich berichtet. Nicht dass wir ihnen die wohlverdiente Siesta und den Ouzo verübeln (die, wie uns eine nette Wirtin in Ouranoupoli versicherte, schlicht zum Kulturgut gehören und nicht zu diskutieren sind). Aber wie soll der Grieche Vertrauen in eine Regierung fassen, die ihm das Geld aus der Tasche zieht und damit zweifelhafte Vorhaben finanziert? Wir erinnern uns an die Geschichte mit den deutschen U-Booten. Wir haben die oben erwähnte Autobahn quer durch die Berge gesehen, gemäss Wikipedia „probably the most ambitious and expensive public project ever to have taken place in modern Greece“ und gemäss eigner Beobachtung alles andere als übermässig ausgelastet. Wir haben moderne, elektifizierte, zweigleisige Zugslinien vor Thessaloniki gesehen, auf denen pro Tag vielleicht eine Handvoll Züge fährt. Als Aussenstehender erhält man damit nicht den Eindruck, dass hier besonders sorgsam mit den bescheidenen Steuergeldern umgegangen wird. Und kommt dann noch in der Qualitätszeitung ein Artikel, wie eine der wenigen griechischen KMU-Industriefirmen abgewürgt wird, geht das letzte Quentchen Vertrauen in den Staat verloren (die Griechen selbst haben schon längst aufgegeben).
Beenden wir den Exkurs in die griechische Politik, da geben ja schon genügend Unbeteiligte ihren Senf dazu. Thessaloniki empfängt uns mit Regen und einem eher kühlen Klima, dafür mit einer feinen Küche. Im Szenequartier Ladadika testen wir die kleinen Restaurants, das kleine, herzige „Vasilikos“ und ihre netten Wirtinnen kriegen von uns die Höchstnote – ein Raki als Willkommensgruss, wunderbare Kreationen und zum Schluss Parfait und Kuchen aufs Haus. Weltklasse! Schon am Folgetag ist das Wetter besser, dank Wochentag die Geschäfte offen und die Stadt somit viel freundlicher. Wir entdecken viele hübsche Ecken, aber auch viele für immer geschlossene Ladenlokale. Wir schlendern durch die alten Märkte, die bereits einen Hauch von Istanbul tragen. Wir kleben an den Schaufenstern der unzähligen Patisserien der Stadt, die sich mit süssen Kreationen gegenseitig überbieten. Saloniki kriegt von uns den Titel „Stadt der Zillionen Kalorien“ – hier könnte man sich problemlos mit Süssigkeiten vollstopfen, bis man platzt. Wir geniessen den Sonnenuntergang mit Blick auf das Hafenquartier, wo die Kräne sich erhaben ins Bild einfügen – ganz anders als im pseudokulturbeflissenen Zürich mit ihrer Hafenkran-Diskussion, die viel kostet und nichts bringt.
Dann geht es auch schon auf Entdeckungstour in Chalkidiki – Cornelia mit dem Bus und wir hechelnd mit dem Velo hintendrein. Erst in die Berge, ins verschlafene Arnea. Verschnaufpause auf dem Weg, wir essen eine Kleinigkeit, als ein Motorhome auf den Parkplatz einbiegt. Kurz darauf werden wir unvermittelt gefragt, ob wir Eis möchten. Hä? Das können wir nicht ausschlagen! Und schon sitzen wir mit einem netten belgischen Paar im Pavillon der Raststätte, geniessen eine Schale Eiscrème und diskutieren über das Woher und Wohin. Schon wieder ein grosses Dankeschön! Dann auf den Inselarm Athos mit den vielen Klöstern. Zuletzt auf Sithonia mit den schönen Stränden (und vielen fiesen Zwischenanstiegen, wie wir schweissgebadet erfahren mussten). Hier treffen wir Yvonnes Arbeitskollegin Susanne und Martin, die uns zu einem feinen Znacht in der Taverne einladen. Schon wieder: Danke! Ein letzter Abstecher zu Cornelias Resort, wo sie die letzten Tage ihrer Ferien verbringt, und schon sind wir wieder zu zweit on the road. Noch einmal gehts in die Berge Chalkidikis, wir campieren im Garten eine kleinen Bergkirche, bevor es wieder ernsthaft ostwärts geht. Türkei, wir kommen!
Und wer sich jetzt über den Titel dieses Beitrags wundert: Es geschah zu einer Zeit, als wir im fernen Kroatien kurz Rast machten. Zwei Gestalten brausen mit ihren bepackten Rennvelos heran. Es stellt sich heraus, dass es Griechen sind. Griechen auf dem Velo, und das weiter als über den Dorfrand hinaus! Das hat echt Seltenheitswert. Erst später beim Durchsehen der Fotos entdecken wir die wunderbare Botschaft auf ihren Shirts.

Indeed, we are all Greeks! So lange wie hier waren wir bisher in keinem anderen Land. Trotz der übermässig teuren Cappuccini, der fehlenden Duschvorhänge und den Flickwerkstrassen in den Dörfern: We love you, Greece!
PS. Neu sind wir schon zu viert unterwegs! Kuno hat Verstärkung erhalten. Afrodite (obwohl Griechin, ist das „f“ statt „ph“ eine Reminiszenz an ihre afrikanischen Wurzeln) begleitet uns ab sofort und steht uns mit ihren Kenntnissen bei. Sie hat einen Master in Voodoo und Zusatzausbildungen in Hunde- und Schlangenbeschwörung. Sie spricht fliessend Griechisch, Afrikaans und Züridüütsch. In ihrer Freizeit ist sie ein Speed Junkie und liebt Base Jumping und Skydiving – mit ihren Flügeli ist sie hier klar im Plus…

---| 27. Mai 2013 | Yvonne Vielleicht habt ihr euch auch schon gefragt, wie die Leute eigentlich reagieren, wenn plötzlich zwei schwer bepackte Velos mit zwei Schweizern darauf an ihnen vorbeipedalen? Jedes Mal, wenn wir eine neue Landesgrenze überschreiten, sind wir selber sehr gespannt, wie man uns drüben wohl begegnet. Uns erstaunt immer wieder, wie gross die Unterschiede sind – obwohl doch Landesgrenzen nicht unbedingt Kulturen teilen. Oder doch?
In der Schweiz beispielsweise gehört man als Velofahrer fest zum Strassenbild: Auch schwer bepackt wird man als Weltradler kaum beachtet. Ausser man parkt sein Gefährt vor einem Einkaufszentrum! Hier versammeln sich dann gerne die Velokenner und beäugen anerkennend, aber schweigend den fahrbaren Untersatz. Und zwar so lange, bis wir sie von uns aus ansprechen.
Ganz anders der Italiener. Quasi ab der Grenze wird gehupt, freudig gewinkt und laut brüllend die Daumen hochgehalten. Jeder vorbeifahrende Velofahrer, der sich einigermassen als Sportler sieht, hebt die Hand zum Gruss oder zumindest den kleinen Finger (ja, der italienische Rennvelofahrer nimmts ernst). Sobald wir irgendwo halten, werden wir gefragt, woher wir kommen. Meist reicht „Svizzera“ für ein total beeindrucktes Gesicht. Wenn wir dann weitergehen – das tun wir manchmal zum Spass – und auch noch die Destination nennen, sind die Italier nicht zu halten. „BRAVI, BRAVI, BRAVI!“ brüllen sie begeistert und können es kaum fassen. So zum Beispiel die Kassiererin im Lebensmittelladen, die buchstäblich fast von ihrem Kassenstuhl kippt, ein smarter italienischer Geschäftsmann in Triest, der uns rät, in Italien zu bleiben und trotzdem aus China eine Ansichtskarte möchte, oder ein piemontesisches Touristenpaar, das uns in einer wohlverdienten Pause anspricht und jedes Detail unserer Velos und Reise wissen möchte (selbstverständlich auf Italienisch). Am meisten freuten uns aber die „drive-by“-Italiener. Jene, die uns auf dem Rennvelo überholen, eine Weile neben uns herfahren und aus ihrem Leben erzählen. Oder jener Vespafahrer, der uns entgegenkommt, extra umdreht und ein Stück mit uns mitfährt, nur um erfahren, wo wir herkommen. So etwas würde einem Zuhause nie passieren. Italy: We love you!
Der Kroate ist da zurückhaltender. Obwohl er im Vergleich zum Italiener massiv mehr Fremdsprachen kann (nicht sehr schwierig), getraut er sich nicht, uns einfach so anzusprechen. Es gibt allerdings Ausnahmen. Zum Beispiel an einem Rotlicht auf einer zweispurigen Ausfallstrasse. Der Autofahrer neben uns kurbelt die Scheibe runter und fragt: „Doitsch?“. „Nein, Schweiz!“ Da strahlt er übers ganze Gesicht und sagt: „Grüezi!“ Und erzählt, er sei auch Velofahrer und fahre jeden Tag 100 Kilometer. Da wir ihn leicht irritiert anschauen (er sitzt im Auto, wie will er da seine täglichen 100 Velokilometer noch schaffen?), erläutert er, er komme jetzt gerade vom Sardinenfischen und habe leider nichts gefangen… Bevor wir ihn fragen können, woher er denn „Grüezi“ kann, wird es schon grün, und wir können nur noch hinterherwinken.
Eine andere Eigenart des Kroaten im Umgang mit uns ist es, dass er generell davon ausgeht, dass das Gegenüber Kroatisch spricht (logisch!). Wie zum Beispiel ein Zimmermädchen, das ohne Vorwarnung in unser Zimmer stürzt und dazu eine lange, erklärende Kroatischsalve ablässt. Äh? (Gerade in Hotels ist die Chance ja besonders gross, dass Gäste der lokalen Sprache mächtig sind…) Oder die alte Dame, die mich mit vielen verzweifelten kroatischen Sätzli eindeckt, während ich vor dem Einkaufszentrum auf Christian warte. Hö? Will sie, dass ich ihr die Einkäufe trage? Oder will sie, dass ich verschwinde (Velogesindel)? Nein! Wie wild deutet sie auf ein kleines, harmloses Hündchen, das wie ich draussen vor der Tür auf sein Herrchen wartet. Nachdem ich sie die paar Schritte am Hündchen vorbeibegleitet habe, ist sie sichtlich erleichtert und verschwindet mit ihren Einkäufen im weitläufigen Kroatien.
Der Albaner – das war nun leicht zu erraten – kommuniziert mit uns primär mit der Mercedes-Hupe. Ob er überholen, uns anspornen oder uns einen wertvollen lokalen Tipp geben will: Er hupt. Ansonsten ist er eigentlich mehr an seinem eigenen Land interessiert. „We Albanians need to be more proud!“, sagte uns einer. Auf was, hat uns allerdings niemand genauer erläutern können. In einer Sache sind sich Kroaten, Montenegriner und Albaner ziemlich einig. Wenn ihnen zwei Velotouristen erzählen, dass sie mit diesem Alugestell bis nach China wollen, sind sie weder positiv überrascht noch sonderlich beeindruckt. Sie finden das einfach nur völlig unverständlich. Einer fragte uns, wieso wir nicht wenigstens mit dem Töff nach China fahren. Ja, was sagt man da??
Beim Griechen hingegen fällt man als Velotourist in die Kategorie „komplett unbeachtet“. Vermutlich nimmt uns der Grieche deshalb nicht wahr, weil auf seinen Strassen, Meeren und in seinen adretten griechischen Dörfern tagtäglich so viele Touristen herumstochern, dass ihn nichts mehr überrascht. Nur in Bergdörfern oder sonstigen Ausnahmesituationen werden wir wie Ausserirdische angestarrt. Seit wir allerdings den grossen Schweiz-Kleber montiert haben, passiert es öfters, dass wir mit ungläubigem Staunen gefragt werden, ob wir tatsächlich von „Elvetía“ aus mit dem Velo hierhergekommen sind…
Auch die Begegnungen auf der Strasse unterscheiden sich von Land zu Land massiv. Im Vergleich zum Albaner, auf dessen Strassen mafiöse Zustände herrschen (sogar auf der Autobahn müssen wir auf unserer Spur entgegenkommenden Velos, Eselskarren und Autos (!) ausweichen), ist der Grieche im Auto höchstens kleinkriminell. Die entgegenkommenden Fahrzeuge warten mit Überholen, wenn sie uns sehen, und in Kurven wird respektvoll hinter uns hergefahren, bis die Sicht wieder frei ist. Bietet sich dem Griechen aber eine Gelegenheit für ein kleineres Verkehrsdelikt, dann sind auch hier Polizei und Regeln schnell vergessen. Vermutlich schon gar nicht als Delikt zählt in Griechenland, mitten auf der vielbefahrenen Strasse die Handbremse zu ziehen, um schnell beim Bäcker oder beim Gartencenter vorbeizuschauen. Und wenn gerade keiner hinschaut, fährt man auch mal den verkehrten Weg um einen Kreisel. He ja, wieso Zeit und Sprit vergeuden…?

Der Grieche kann aber auch ziemlich fordernd sein (zeigt sich nicht zuletzt ja auch auf internationaler Bühne). In Thessaloniki werden wir von zwei männlichen griechischen Touristen in zackigem Ton angewiesen, man solle ein Foto von ihnen schiessen. Und zwar mit genau diesem Hintergrund und in exakt jenem Winkel. Oder als wir auf der Athos-Halbinsel vor dem Frühstück harmlos unsere E-Mails checken, sind wir plötzlich von Griechen umzingelt, die ziemlich schamfrei in unseren Bildschirm starren und uns mitteilen, sie müssten jetzt sofort die Wetterprognosen wissen. Oder vor einer wunderbaren alten griechischen Skulptur mutieren wir für zwei ältere Herren kurzum zum Fotostudio, und müssen die beiden zu zweit, einzeln, von vorn, von hinten, von oben und von unten fotografieren. Machen wir ja gerne! Dafür freut es uns dann um so mehr, wenn mitten im Bergdorf ein Velobegeisterter die Landkarte zückt und mit uns über die Route diskutiert, oder uns – wie Jiannis in Trikala – mit seinen kargen, selbstbeigebrachten Englischkenntnissen zu Kaffee, Kuchen und Wein einlädt. So herzlich und spontan, das werden wir nie vergessen!

Belgische Campertouristen: Spontan werden wir mit Eiscrème verwöhnt!
Am meisten Reaktionen auf unser schwerbepacktes Vorbeipedalen gibt es allerdings häufig von Mittouristen. Während wir beispielsweise in einem engen Gässlein von Sibenik unseren ersten Platten reparieren, zwängt sich eine ganze Horde von Holländern an uns vorbei. Der Reiseleiter hat keine Chance: Nicht die alten kroatischen Häuser, sondern wir werden vorübergehend zur Attraktion. „Wie lange braucht ihr für die Reise?“, „Wow, soo viele Berge bis China!“ und „Kann ich mitkommen?!??“ – so die Reaktionen. Ebenfalls unvergessen das nette belgische Paar, das uns im griechischen Hinterland ein Eis und ein Glas Wasser spendiert. Wir werden (sogar aus fahrenden Autos) gefilmt, fotografiert, beklatscht, und eine Amerikanerin will uns trotz fehlender Deutschkenntnisse gar auf dem Blog verfolgen. Auch Schweizer treffen wir immer mal wieder – sie schauen mit Kennerblick auf unsere Ortliebtaschen oder sprechen uns mit einem breiten Grinsen auf Schweizerdeutsch an. Egal ob Touristen oder Einheimische: Wir freuen uns immer auf ein Schwätzchen. Denn Begegnungen mit Menschen sind wohl das unplanbarste und bereichernste Element der ganzen Reise. Und: Wir haben ja viel, viel Zeit!
---| 5. Juni 2013 | Christian Angesichts unserer mehrheitlich schweizerischen Leserschaft, die seit Wochen unter Kälte, Regen und Schnee leidet, sind Klagen über allzu sonniges und heisses Wetter geradezu vermessen. Tatsächlich kennen wir aber seit Tagen nur das: Sonne, Hitze und blauen Himmel. Blicken wir zurück: Die Weiterfahrt von Chalkidiki ist sehr hügelig und entsprechend fliesst der Schweiss. Wir entscheiden uns gegen einen abendlichen Aufstieg in die Berge und machen Halt im Garten einer schmucken kleinen Bergkirche. Kein Mensch weit und breit und von ganz oben kommt auch kein Einwand. Das Zelt ist eins, zwei aufgestellt und wir geniessen Wein und Pasta zu einem herrlichen Sonnenuntergang. Tags darauf sind wir früh wieder im selben Dorf wie einige Tage zuvor, nun aber in die andere Richtung. Beim Cappuccino gesellt sich einer der griechischen Senioren dazu und prüft anerkennend unsere Räder. Wenig später holt er seine detaillierten Landkarten der Region und gibt uns mit seinem kleinen Englischvokabular Tipps für die Weiterreise. Und erzählt von seinem ultraleichten Karbonrenner, mit dem er an Rundfahrten teilnimmt. Da sitzt man im Hinterland von Saloniki inmitten der bäuerlichen Bergregion und dann das! Die deklarierte Zeit für die Umrundung der Sithonia-Halbinsel kommt uns dann aber trotz Profivelo doch verdächtig kurz vor… 😉
Von der Küstenstrecke nach Osten sind wir wenig beeindruckt. Die Landschaft ist öde und die Sonne brennt gnadenlos auf uns nieder. In Asprovalta quartieren wir uns ein, schlüpfen motiviert in die Badehose und eilen zum Strand – wo uns eine wenig einladende, grüne Brühe erwartet. Dankend verzichten wir aufs Bad und schwitzen klaglos weiter. Dann doch lieber auf die Insel – wir haben ja Zeit und sind flexibel! Nach Thasos sind es knapp 100 Kilometer, die wir am nächsten Tag schweissgebadet unter die Räder nehmen. Unterwegs biegen wir ab zur Therme von Loutra Eleftheron, wo das warme, sulfathaltige Wasser sprudeln soll. Vom Kartenstudium und vom Blog anderer Veloreisender, die 2009 dort waren, wissen wir davon. So ein Kurbad wäre doch eine interessante Abwechslung (wenn auch keine Abkühlung…). Die Einfahrt in den Komplex erinnert dann aber mehr an einen Gruselfilm. Überall liegen Trümmer, die Häuser der Badeanlagen und Beherbergungszimmer sind verlassen und die einzige Begrüssung erfolgt durch eine Handvoll streunender, kläffender Hunde. Etwas weiter hinten soll es einen frei zugänglichen Naturpool geben, dort aber finden wir schon eine kleine Gruppe Griechen im Wasser schwadernd vor. Kur ade, ist ja eh zu heiss, ab nach Kavala! Wir schaffen es gerade noch auf ein extrasüsses Frappé (unserem neuen Lieblingsgetränk – haben wir den Griechen abgeschaut!), bevor die Fähre ablegt. Drüben quartieren wir uns im netten kleinen Hotel einer Holländerin ein und nehmen kurz vor Sonnenuntergang noch ein Bad im tiefblauen Meer, wo sich die bunten Fische im Seegras verstecken. So muss Meer sein!
Wir stellen uns auf kleinere, gemütliche Etappen ein, um die Insel richtig auskosten zu können. Die gut 30 Kilometer in den Süden der Insel sind dann aber „weiter“ als gedacht, so stark bläst der Gegenwind. Das zuvor gebuchte Apartement gefällt uns so gut, dass wir gleich auf drei Nächte verlängern. Zeit, die schönen Strände und Felsen der Insel zu erkunden. Atemberaubend ist der „Naturpool“ Giola: Mitten in der rauen Felsküste hat sich eine riesige, smaragdgrüne Lagune ausgebildet, in die grössere Wellen stetig neues Wasser hereinspülen. Wer springt zuerst? Das Wasser vom aufgewühlten Meer ist schon recht frisch…
Eine Zeitlang haben wir die Naturschönheit für uns allein, ab und zu kommen und gehen ein paar Touristen, die sich aber nicht zum Bade wagen (und umso ungeduldiger darauf warten, dass wir reinspringen). Dann aber ändert die Szenerie. Die Russen kommen! Lärmig macht sich eine Gruppe junger Russen daran, das Territorium zu erobern. Die Vorhut ist ein modelreifes Früchtchen, das sich sogleich in Pose wirft, um von ihrem Macker abgelichtet zu werden. Wir kippen fast vom Felsen, als dieses Schauspiel von einer grossen Welle unterbrochen wird: Barbie wird ganz nass und das mag es gar nicht! Das Ganze wiederholt sich dann x-mal, auch das kaum zwölfjährige Mädchen weiss sich schon adrett in Szene zu setzen. Dass man uns dabei nicht gleich niedertrampelt, ist vermutlich purer Zufall. So haben wir eine Stunde Aufruhr und Rummel, bevor die Karawane weiterzieht. Mal noch schnell den Zigarettenstummel im Pool versenken – man war jetzt ja hier und die nachfolgenden Besucher können einem ja egal sein. Dies war ja nicht die erste Begegnung mit russischen Touristen, aber sie war einmal mehr nicht der angenehmen Art. Lustigerweise gabs kürzlich bei 20 Minuten eine Umfrage zum Thema, das Resultat spricht für sich (Screenshot vom 31. Mai 2013).
Wir lassen die Russen Russen sein und machen uns auch auf den Heimweg. Es ist ja auch höchste Zeit, die Fahrräder mal ausgiebig zu kontrollieren und die Ketten nachzuspannen. Die letzte Station auf der Insel ist Limenas, von wo die Fähre auf kürzerem Weg zurück ans Festland fährt. Auch hier gefällt es uns so gut, dass wir gleich nochmals einen Tag anhängen. Die Türkei kann warten und in den Iran können wir sowieso erst Mitte Juli einreisen, es ist also keine Eile angesagt. Ein Zwischenhalt in Aliki bringt faszinierende Einblicke in den altertümlichen Marmorabbau. Hier wurden mit ausgefeilten und über Jahrhunderte verfeinerten Methoden riesige Marmorblöcke ausgebrochen und mit spektakulären Seilzügen auf Schiffe verfrachtet! Noch heute gibt es auf Thasos Steinbrüche, unsere Fähre am Folgetag ist voller Lastwagen mit tonnenschweren Blöcken des kostbaren Steins.
Die Türkei und somit die EU-Aussengrenze sind nun nicht mehr weit. Wir sind nach der langen Zeit des Faulenzens motiviert und die Kilometer fliegen nur so dahin, natürlich auch dank des spürbar flacheren Geländes Thrakiens. Nicht umsonst war die Region schon zu byzantinischen Zeiten als Kornkammer Konstantinopels bekannt. Wir wechseln vom Hotel ins Zelt, verbringen eine Nacht sogar auf der historischen Via Egnatia, diesem eindrücklichen Bauwerk aus vorchristlicher Zeit. Sie war die erste Strasse der Römer ausserhalb Italiens und verlief vom heutigen Albanien durch Mazedonien, Griechenland bis nach Byzanz. Über 2000 Jahre lang stellte sie die einzige nennenswerte Verbindung der Region dar. Auch viele der heutigen Dörfer und Städte verdanken ihr Sein der Via Egnatia, da sie jeweils an der Route im Abstand einer damaligen Tagesetappe von 45 bis 60 Kilometer aufgebaut wurden. Für den Bau der Strasse wurden 50cm Erdreich abgetragen und planiert. Danach wurde der neue Belag mit stetiger Bewässerung verfestigt und darauf wurden grosse, 15cm dicke Steinblöcke gelegt – sogar einen Mittelstreifen gab es!
Bei der Fahrt über Land bemerken wir auch, dass wir nun allmählich den Kulturkreis wechseln. Hier und da sind in den Dörfern neben der orthodoxen Kirche auch schon Moscheen und Minarette zu sehen. Es sieht nach friedlicher Koexistenz aus, die Realität ist aber offenbar eher ein uninteressiertes Nebeneinander der verschiedenen Kulturen. Alexandroupoli ist die letzte grössere griechische Stadt unserer Reise und wir geniessen ein letztes Mal Feta & Co., denn drüben ruft schon der Börek. Αντίο Ελλάδα, merhaba Türkiye!
PS. Wer erfahren möchte, was uns in Griechenland besonders gefallen hat, und wofür wir eine goldene Himbeere vergeben, klickt am besten auf unsere Rubrik Awards!
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