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---| 24. Juni 2013 | Christian Die Welt wird immer kleiner – dies nicht zuletzt deshalb, weil die lästige administrative Hürde namens Visum in vielen Ländern abgeschafft wurde (wie beispielsweise in Kirgistan vor rund einem Jahr). So sind wir bisher unbehelligt quer durch Europa gefahren, und auch an der Schengen-Aussengrenze wurden wir von keinerlei Abfertigungsbürokratie überrascht. Stattdessen gabs von den Beamten bei der Durchfahrt jeweils nur ein müdes Nicken. Dass dies kein Dauerzustand für unsere weitere Reise sein wird und wir noch viele zwiespältige Erlebnisse beim Beschaffen der notwendigen Reisedokumente haben werden, war uns schon lange klar. Da wir zum Zeitpunkt unserer Abreise aber noch zu früh waren, um die begehrten Kleber für unsere Pässe zu sammeln, muss dies zwangsläufig unterwegs geschehen. Nicht zuletzt dafür haben wir in Istanbul einen längeren Stop eingelegt.
Rufen wir uns die weiteren Destinationen in Erinnerung.
- Iran – Visum bereits in Bern erfolgreich eingesammelt.
- Turkmenistan – Visum nötig. Man will eigentlich gar nicht hin, muss aber durch. Das Desinteresse ist gegenseitig: Turkmenistan möchte offenbar keine ausländischen Dollares, sondern lieber weiter diktatorisch isoliert vor sich hindösen.
- Usbekistan – Visum nötig. Hier könnte man eventuell sogar freiwillig hinwollen. Wir kennen Abenteurer, die dort schon Ferien verbracht haben, denn mit Buchara, Samarkand und Xiva gibt es immerhin ein paar schöne Städte. Aber man denkt auch an das andere Usbekistan mit Baumwoll-Monokulturen und deren massiven Folgen für Mensch und Umwelt, beispielsweise der Austrocknung des Aralsees.
- Tadschikistan – Visum nötig. Mit dem Pamir Highway auf über 4000 Metern voraussichtlich unsere grösste Herausforderung, aber auch die eindrücklichsten Landschaften.
- Kirgistan – kein Visum nötig. Das Land der Pferde, wo wir vermutlich nur eine sehr kleine Strecke zurücklegen werden.
- China – Visum nötig. Und wehe dem, der angibt, nach Westchina zu wollen. Man will ja seine unterdrückten Uiguren lieber selber geniessen.
Wie wir auf unserem Visums-Spiessrutenlauf bemerken werden, gibt es interessanterweise eine Korrelation zwischen der touristischen Unattraktivität eines Landes und seinem bürokratischen Leerlauf. Wir nennen das inzwischen liebevoll das „stanländische Paradoxon“. So steht für den Zentralasienreisenden an erster Stelle die alles entscheidenden Frage: „An welchen fünf Tagen werde ich durch die wundersame Karakum-Wüste Turkmenistans hecheln?“ Vielleicht sind es auch nur drei Tage, je nachdem, wie gnädig das dortige Aussenministerium sein Bittgesuch behandeln wird (wenn überhaupt). Damit des untertänigen Bittstellers Ansinnen überhaupt geprüft wird, hat der Reisepass bitteschön sowohl das Visum des Landes der Einreise (Iran) sowie der Ausreise (Usbekistan) zu enthalten. Für uns heisst dies, dass unser erster Akt das Aufsuchen des usbekischen Konsuls in Istanbul ist.
Der Usbeke sitzt in Istinye, was zwar noch zu Istanbul gehört, aber schon halb am Schwarzen Meer oben ist. Empfangen wird man jeden zweiten Tag von 10 bis 12 Uhr morgens, eine frühzeitige Anreise empfiehlt sich also. Wir lesen im Internet, dass kurz nach 8 Uhr ein Schnellboot den Bosporus hochfährt. Mit einem Sprint schaffen wir es in letzter Minute auf das Schiff und sind kurz vor 9 Uhr an der Anlegestelle Istinye, stärken uns mit einem Kaffee und stehen an einem regnerischen Mittwochvormittag mit einigen weiteren Wagemutigen 20 Minuten vor der offiziellen Besuchszeit am Ort des Geschehens.
Wir kramen alle benötigten Dokumente hervor und bedeuten dem Aufpasser im Wärterhäuschen, dass wir höflichst ein Visum beantragen möchten. Leider ist der gute Mann der englischen Sprache nicht mächtig, nickt aber anerkennungsvoll und scheucht uns mit einer Handbewegung auf die Strasse zurück. Dort lümmeln wir mit weiteren Bittstellern herum, bis wir plötzlich hereingewunken werden. Treppe runter, Unterlagen durch ein Fensterchen reichen, warten. Es folgt die Information, der Konsul sei gar nicht hier, wir sollen um 11 Uhr wieder aufkreuzen. Raus auf die Strasse und wieder warten. Es herrscht ein Kommen und Gehen, jedoch ohne irgendein Anzeichen organisierten Handelns. Aus 11 Uhr wird 12 Uhr, die Sonne brennt mittlerweile erbarmungslos und wir werden langsam nervös, ob wir hier überhaupt noch etwas erreichen werden. Unser Glück kommt in Form eines in Irland lebenden Türken samt seiner usbekischen Frau und seinen beiden kleinen Töchterchen, die ebenfalls auf eine Anhörung warten. Er setzt sich für uns ein, übersetzt und ermöglicht uns so, dass wir doch noch zum Herrn Konsul vordringen können.
Herr Konsul: „Do you want to work in Uzbekistan?“ – Wir, perplex: „No!“ – Herr Konsul: „Are you sure?“
Nach dem Austausch einiger weiterer Höflichkeiten kommen wir zur Sache. Wir hätten das Visum ja gerne etwas zackig, damit wir – wie oben geschildert – baldmöglichst zum Turkmenen pilgern können, um das dortige Kleberlein abzuholen. Dafür sind wir sogar bereit, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, da die Bearbeitungsdauer gut und gerne zwei Wochen dauern kann. Möglich ist dies mit einem bescheidenen Expresszuschlag von 50%, damit sollte gemäss offizieller Angabe eine Lieferung in zwei Arbeitstagen möglich sein. Wir fragen deshalb scheu, ob wir schon am Freitag vorbeikommen könnten? Herr Konsul hebt eine Braue: „Express-Visa?“ Tja, der Mittwoch sei ja schon so gut wie vorbei und Freitag somit zu früh. „Maybe Monday“. Adiö merci!
Am Freitag wagen wir einen ersten Anruf und werden unhöflich abgewiesen. Keine Visa für gar niemanden, vielleicht am Nachmittag, ich solle wieder anrufen. Nach unzähligen weiteren Telefonaten wissen wir: Das wird nichts mehr mit Express diese Woche. Am Montag darauf sollte dann unser Tag sein, die Nummer des Konsulats kennen wir mittlerweile auswendig. Erstes Telefonat am Morgen, der Herr Konsul kennt mich inzwischen ganz gut und begrüsst mich mit Namen, bevor ich diesen ausspreche. Trotz aller Freundlichkeit sind noch keine Visa da, wir werden weiter vertröstet. Dasselbe Spiel am Nachmittag sowie am darauffolgenden Dienstag, ich kenne inzwischen jede telefonarische Regung des Konsulats. Am Mittwoch ist unsere Geduld am Ende und wir fahren ohne weitere telefonische Nachfrage mit dem Bus raus zu diesem Komödiantenstadl. Überraschend schnell werden wir vorgelassen. Der Herr Konsul erkennt uns sofort und meint strahlend, am Dienstagabend sei unsere Visabestätigung mirakulöserweise noch eingetroffen. Wir sollen nun bei der nahen Bank die geschuldete Summe inkl. Expresszuschlag einzahlen und dann seien die Visa unser. Etwas genervt wenden wir ein, dass von Express hier ja keine Rede mehr sein könne. Widerspruch von fremdländischen Schnöseln ist allerdings gar nicht erwünscht. Schnippisch meint Herr Konsul, wir hätten beim Antrag „Express“ verlangt und so sei das nun zu begleichen. Alternativ könne er uns gerne jetzt und hier unsere Pässe zurückgeben und wir könnten ohne Visum von dannen ziehen. So geht das!
Verärgert eilen wir zur Bank. Dort sitzt die halbe Türkei und hat sich zum Ziel gesetzt, genau an diesem Vormittag die kompliziertesten aller denkbaren Bankgeschäfte zu tätigen. Wir warten und warten, bis wir endlich unser überschaubar diffiziles Anliegen vorbringen dürfen. Gerne möchten wir die Summe von USD 220 in der Lokalwährung einzahlen, was die Bankfachfrau ablehnt. Das hier ist eine Bank und keine Wechselstube, wir können unsere türkischen Lira beim Exchange-Büro gleich nebenan tauschen. Vorausschauend wie wir sind, haben wir ein paar Not-Dollars dabei, legen diese auf den Tresen und die gute Frau beginnt wie wild Formulare auszufüllen. Auf jedem einzelnen dürfen wir unsere Namen und Unterschriften verewigen und nach einem gefühlten halben Arbeitstag haben wir unser Geld in eine Quittung umgewandelt.
Mittlerweile ist es gleich 12 Uhr, im dümmsten Fall macht sich der Konsul schon wieder aus dem Staub. Wir rennen den Berg hoch, werden wiederum zügig reingelassen und dann, tataaaa: Keine fünf Minuten später klebt das begehrte Zettelchen in unseren Pässen. Raxmat, danke aber auch!
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Uzbek Consulate General in Istanbul, Sehit Halil Ibrahim Caddesi, No. 23, Istinye, Istanbul
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Öffnungszeiten: Mo/Mi/Fr 10-12 Uhr
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Telefon: (+90) 212 229 00 75
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Erforderliche Dokumente: 1x Visumsantrag, 2x Foto, 1x s/w Passkopie
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Anfahrt: Ab Kabataş fahren verschiedene Busse nach Istinye, z.B. der 25E. Alternativ fährt von hier um 8.15 Uhr die Schnellfähre in rund 40 Minuten hin.
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Gebühren: USD 60 + USD 20 Servicegebühr für 30 Tage, Single Entry; (völlig nutzloser!) Expresszuschlag USD 30
Die lange, aufreibende Wartezeit auf das usbekische Visum liessen wir natürlich nicht unnütz verstreichen. Der Traum vom frühzeitigen chinesischen Visum lassen wir nach einigen Abklärungen bei einer spezialisierten Agentur schnell wieder fallen. Bleibt der Tadschik, den wir uns als nächstes vorknöpfen. Das Konsulat liegt genau am anderen Ende der Stadt, glücklicherweise mit einigermassen direkter Busverbindung. Inzwischen haben wir uns eine Istanbulkart besorgt, um sorgenfrei jederzeit in einen Bus hüpfen zu können. Kurz vor Mittag sind wir da, das Personal jedoch ist im Mittag, bitte in einer Dreiviertelstunde wieder anklopfen. Ab ins nächste Café, wo es ein mittels riesigem Plakat beworbenes Nescafé-und-Schwarzwaldtorten-Combo gibt. Dermassen gestärkt sind wir bereit fürs nächste Visumsabenteuer. Im Konsulat werden gerade neue Matratzen angeliefert, wir dürfen ebenfalls eintreten und werden kurz darauf vom netten 1/2./3. Sekretär empfangen (Unzutreffendes bitte streichen, ist mir gerade entfallen). Wir wechseln freundliche Worte über die Schweizer und Tadschikischen Berge, über Urlaubsziele (der Herr Konsul ist nämlich gerade in den Ferien) und übers Militär. Um das tadschikische Visum zu erlangen, ist nebst den üblichen Formularen auch noch ein handgeschriebener Bittbrief nötig. Unser auf ein A5-Hotelnotizpapier gekritzeltes Schriftstück findet keinen Anklang, wir erhalten saubere A4-Blätter und genaue Anweisungen, was das Schreiben enthalten soll. Dann zur Bank, die geforderten Lira einzahlen und wieder zurück ins Konsulat. Nochmals kurz warten, und schon sind wir wieder drin. Der Herr Sekretär prüft bereits akribisch einen Testausdruck unserer Visa, alles ist tiptop und Minuten später stehen wir auf der Strasse. In unseren Pässen das Visum sowie der begehrte blaue GBAO-Stempel. Mit letzterem können wir die autonome Provinz Berg-Badachschan bereisen, in welcher der Pamir Highway durchführt. Yeah! So geht das, liebe usbekischen und sonstig-stanischen Bürokraten!
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Tajik Consulate General in Istanbul, Yeni Baglar caddesi, Billur sok. No: 16, Senlikkoy may, Florya, Bakırköy, Istanbul (Achtung, das Konsulat ist etwas versteckt in der kleinen Seitenstrasse „Billur“)
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Öffnungszeiten: Mo-Fr 8 bis 17 Uhr
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Telefon: (+90) 212 426 50 54
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Erforderliche Dokumente: 1x Visumsantrag, 2x Foto, 1x s/w Passkopie, 1x handgeschriebener Brief ans Konsulat mit der Beschreibung unserer Reise und der geplanten Destinationen im Land. GBAO speziell erwähnen!
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Anfahrt: Ab Eminönü fährt der Bus BN2 in rund 30 Minuten nach Florya, von dort sind es zu Fuss 10 Minuten zum Konsulat. Alternativ fährt der Bus 73T ab Taksim nach Florya – dauert zwar lange, ist aber vom Beyoğlu-Quartier aus eine passable, umsteigefreie Option
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Gebühren: USD 50 für 45 Tage, Single Entry; inkl. GBAO-Stempel für den Pamir Highway
Mit dem erkämpften usbekischen Visum sind inzwischen sämtliche Erfordernisse der lieben Turkmenen erfüllt und wir haben uns auch schon fünf schöne Tage für die Durchreise durch diese wundervolle Wüste ausgesucht. Wie es uns beim mehrfachen Aufsuchen der netten Herren dieses Konsulats ergangen ist, sparen wir uns für einen späteren Bericht auf. Nur soviel: Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende…
---| 25. Juni 2013 | Yvonne Wie geht man an die Beschaffung eines Visums heran für ein Land, das man weder aus touristischer noch klimatischer Sicht bereisen möchte, sich bei der Durchfahrt allerhöchstens ein kleines, wohliges Diktatorengruseln verspricht, und das Papierchen dennoch unbedingt haben muss? Man ist in Aussicht auf noch mehr Bürokratie angespannt-nervös und bereits leicht vorgenervt.
Genau in diesem Zustand sind wir, als wir nach langem Kampf den Sieg über Ozbekistan ausrufen. Wir beschliessen darum, noch am selben Tag beim turkmenischen Konsulat zu Kreuze zu kriechen, auf dass die Visums-Odyssee endlich ein Ende nehme. Leider befindet sich das turkmenische Konsulat – sehr praktisch – 35 Kilometer vom Usbeken entfernt, am komplett anderen Ende der Stadt (in der Nähe des Tajiken, wir kennen uns also schon bestens aus). Hoffnungsfroh gestimmt und trotz allem noch top motiviert besteigen wir den Bus und finden das Konsulat dank Navigation mit Google Maps diesmal bestens. Eine schöne Hilfe bei Konsulats-Schnitzeljagden ist übrigens die Tatsache, dass vor einem Konsulat garantiert immer ein kleines Wächterhäuschen steht. Anders gesagt: No Häuschen, no Konsulat.
Der Mann im turkmenischen Häuschen ist zwar äusserst sympathisch, nur leider spricht er ausschliesslich Türkisch. Auch weniger komplexe Ausdrücke wie „open“ oder „closed“ versteht er nicht. Aber wieso aufwändig Englisch lernen, wenn es auch mit Händen und Füssen geht? Der nette Mann bedeutet uns, das Konsulat sei leider nicht „open“ und wir sollten morgen wieder kommen. Angestachelt durch Informationen aus dem Internet sowie ein Schild am Konsulats-Eingang wollen wir jedoch so schnell die Fahnen nicht streichen.

Hier steht es, klar und deutlich: 9:00-12:30 und 17:00-18:00! Es ist jetzt erst 17:30 Uhr, also sehen wir keinen Grund für einen Rückzug. Glücklicherweise kommt ein junger Türke des Weges, der für Kunden turkmenische Visa abholen muss. Er klärt uns auf, dass die Stunde am Abend leider nur fürs Visa-Abholen geöffnet sei, nicht aber fürs Beantragen. Wir finden, das ist Hans was Heiri, und da wir mit erschöpftem Gesichtsausdruck und traurigen Augen von unserer langen, heissen 35-kilometrigen Anfahrt erzählen, bietet der nette Türke an, für uns ein gutes Wort einzulegen. Wenige Minuten später kommt er zurück und vermeldet, man werde es sich überlegen und uns in fünf Minuten Bescheid geben. Immer noch einigermassen motiviert sitzen wir also am Stacheldraht vor dem Konsulat, da fährt just vor unseren Füssen eine schwarze Limousine vor. Es entweicht der turkmenische Konsul. Sofort sticht er auf uns zu (man sitzt nicht ungestraft vor einem Konsulat, dessen Landesoberhaupt ein Diktator ist) und fragt, was wir hier suchen („Blödes Visumsgesindel„, wird er sich gedacht haben). Unschuldig erwiedern wir, wir würden auf den Bescheid warten, ob uns der Konsul für einen Visumsantrag ausnahmsweise doch einlassen würde, denn wir seien extra 35 Kilometer… Er unterbricht und will wissen, ob wir denn ein iranisches Visum hätten. Wir, mit aufkeimender Hoffnung: Ja! Er: Und das usbkische Visum? Wir, noch hoffnungsfroher: JA!! Er strahlt und meint: Dann ist ja alles gut, dann können Sie morgen früh um 9 Uhr wiederkommen. Zack und knallt die Türe zu.
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Turkmen Consulate General in Istanbul, Gazi Evrenos Caddesi, Baharistan Sok. No. 13, Yesilköy, Istanbul
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Öffnungszeiten: Mo/Di/Do/Fr 9-12.30 Uhr (für Visumsbeantragung) und 17-18 Uhr (nur für Visumsabholung!)
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Telefon: (+90) 212 662 02 21 (oder ..2 und ..3)
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Erforderliche Dokumente: 1x Visumsantrag (wird vor Ort ausgehändigt), 1x Foto, 2x s/w Passkopie, 1x Kopie der Visa des Ein- und Ausreiselandes, 1x Begründungsschreiben (wird vor Ort ausgehändigt)
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Anfahrt: Ab Eminönü fährt der Bus BN2 in rund 30 Minuten nach Yeşilyurt, von dort sind es zu Fuss 5 Minuten zum Konsulat. Alternativ fährt der Bus 72T ab Taksim nach Mecidiye Camii – dauert zwar lange, ist aber vom Beyoğlu-Quartier aus eine passable, umsteigefreie Option
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Gebühren: USD 55 für 5 Tage Transitvisum
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Ein sehr, sehr nützliches Tool zur Visabeschaffung für Seidenstrassenreisende findet man unter Gear of the Week 13, Caravanistan
Am nächsten Morgen strahlt uns der Hüslimann glücklich an und bedeutet mit Händen und Füssen: Seht ihr, jetzt ist offen! Wir stellen uns hinten an der Schlange an, und bemerken zum ersten Mal, dass Türken durchaus kreativ sind bei Warteschlangen. Wer nicht aufpasst wie ein Marder, schaut einmal kurz in die andere Richtung und schon stehen drei neue Türken vor der Nase. Bis wir das gelernt haben, vergeht eine Weile, und irgendwann stehen wir vor unserem Mann des Vertrauens. Ob er uns wiedererkennt? Der Herr Konsul verzieht keine Mine und prüft unsere Unterlagen. Er sichtet unseren Pass, das Visaformular, unser Bittschreiben (auch hier nötig) und fragt: Do you have invitation letter? Wir schauen einander an: Nein, natürlich kein Einladungsschreiben dabei, wir wollen ja auch nur ein lausiges 5-Tages-Transitvisum. Wir sagen dies etwas netter, er grummelt. Angespannt stehen wir vor dem Schalter, links und rechts drücken laufend Türken rein und hätten uns vermutlich lautlos niedergetrampelt, wären wir nicht breitbeinig und wehrhaft wie Willhelm Tell vor der Öffnung gestanden und hätten unsere Position verteidigt. Doch, oh weh, uns stockt der Atem. Ein erneutes Stirnrunzeln. Herr Konsul zieht unsere farbigen (!) Passkopien hervor und sagt: Wedewadawede. Wir: Was? Er: Wedewadawedewede! Wir verstehen kein Wort, nur eines ist klar: Da ist etwas gar nicht gut. Während Christian noch heute rätselt, was er gemeint haben könnte, habe ich seine Worte als: „Ich will zwei Passkopien“ dechiffriert. Wir fragen noch (naiv!), wo es denn in diesem elenden Wohnquartier einen Kopiershop hätte, doch er zuckt nur mit den Achseln. Hinweg, ihr Gesindel!
Frustriert und desillusioniert streunen wir durch die Strassen. Links Wohnblöcke, rechts Wohnblöcke, wo zum Henker soll da wundersam ein Kopiershop aufpoppen? Wir greifen zur Waffe T: Frag dems Türk! Ein netter Anwohner deutet in Richtung Westen, doch als nach mehreren Minuten kein Kopiershop am Horizont auftaucht, fragen wir erneut. Und prompt deutet der zweite nette Türke in die gleiche Richtung. Es besteht die Chance, dass die Information stimmt. Nach länglichem Suchen und weiterer Herumfragerei landen wir in einem Kopierlädeli und lassen die besagten Seiten nochmals kopieren. Da der Herr leider keiner ausländischen Sprache mächtig ist, verzichten wir diesmal auf die farbige Kopie. Die Kopien sind zwar etwas schlecht, doch das ist uns egal. Nichts wie zurück, sonst hat emänd das Konsulat wieder geschlossen. Wir stellen uns wieder zuhinterst an die Schlage, und es hätte uns eigentlich stutzig machen müssen, dass nach wie vor dieselben zehn Personen in der Schlage stehen, nur in etwas veränderter Formation.
Irgendwann, man kennt nun die richtige Anstehtaktik (Ellbogen raus und links und rechts keinen vorbeilassen), stehen wir wieder vor dem Herrn Konsul. Wir schieben unsere Akten erneut durchs Fensterli, noch angespannter als zuvor. Mit stechendem Blick schaut er Christian an. Where do you work? Wir: Äh? Protschekt Mänätscher? Er: Do you have letter? Wir: Was?? Er: Letter from work! Wir, genervt: No letter! Transit Visa! Turist! Herr Konsul wirft einen Blick auf meine Passkopie. Scheint ok. Aufschnauf. Dann inspiziert er Christians Kopien: Augenbraue hoch. Geht nicht, zu schwarz! Verzweiflung keimt auf, wir sehen uns schon wieder die Strasse hinunterhetzen und im Kopiershop mit Händen und Füssen bedeuten, dass es diesmal heller… Wie wild durchsuchen wir sämtliche unserer Kopien und finden dann schliesslich noch eine, die Herrn Konsul gefällt. Uff! Wir denken uns, dass wir es jetzt geschafft haben, doch leider weit gefehlt. Herr Konsul schnappt sich unsere Akten, zwei leere Formulare und führt uns zu einer Theke, wo ganz viele ausgefüllte Muster-Formulare hängen. Es stellt sich heraus, dass wir aus dem Internet das Visumsantragsformular der Botschaft in Ankara ausgedruckt und ausgefüllt haben, und das geht ja wohl gar nicht! Dies ist das KONSULAT IN ISTANBUL und hier hat man SEIN EIGENES FORMULAR!! Zwar ist es inhaltlich vollkommen deckungsgleich, aber was kümmert mich die Logik, ich, der Turkmene, habe immer Recht.
Inzwischen schon recht demütig, stehen wir jetzt also wie alle anderen armen Sünder an der Theke und füllen unseren zweiten Visumsantrag aus. Als wir fertig sind und wieder am Schalter stehen (natürlich nach langem Anstehen mit den immer noch gleichen zehn Personen in immer noch wechselnder Formation), ist Herr Konsul abwesend und Herr Vizekonsul kann offenslichtlich kein Englisch. Während wir erneut denken (naiv!), dass jetzt definitiv alles bemängelt worden ist, was bemängelt werden kann, kramt er verzweifelt in irgendeinem Ordner. Offensichtlich ist das nächste Formular, das wir ausfüllen müssen, nicht in Englisch vorhanden. Er geht kurzerhand zum Kopierer, kopiert ein altes, ausgefülltes Formular, und führt uns erneut zur Theke. Wir schäumen innerlich bei mindestens 100 Grad: Aha, man hat also ein Kopiergerät?!? Und wir sind fünf Kilometer gewandert, nur um eine einzige, blöde Schwarzweiss-Kopie zu machen?
Nun stehen wir also erneut an der ominösen Theke: Unser schön verfasster Bittbrief (wir hatten dafür extra noch ein sauberes, blütenweisses A4-Blatt gekauft) ist auch nicht genehm. Der Bittbrief muss auf einem vorgefertigten Formular niedergeschrieben werden und einem exakt vorgegebenen Wortlaut entsprechen. So schreiben wir also Wort für Wort den Bittbrief von Ryan Miller aus Wellington, New Zealand ab, der sein Visum vor ein paar Monaten hier beantragt hatte, und freuen uns, dass der Datenschutz in Turkmenistan offenbar nicht wahnsinnig gross geschrieben wird. Immerhin an einem Ort nimmt man es total locker!
Inzwischen ist unser Genervtheitslevel beim Maximum angekommen, und wir wollen einfach nur noch raus aus dieser Bürokratenhölle. Da wir jetzt ziemlich sicher sind, dass keine weiteren Formulärli auszufüllen sind, stechen wir auf den Schalter zu. Gerade als wir unsere Papiere durchs Fenster reichen wollen, überholt uns eine Türkin von rechts. Offenbar ist sie der Meinung, dass sie allein durch die Tatsache, dass sie ebenfalls schon mindestens zehn Mal an diesem Schalter angestanden ist, jetzt die Fast-Lane verdient hat. Leider aber muss sie just in dem Moment, als der Herr Konsul seine Hand ausstreckt, noch etwas hervorkramen, und wir wehren den hinterhältigen Angriff ab. Das sind ja Zustände!
Herr Konsul prüft unsere Dokumente, liest jedes einzelne noch einmal durch (er hat ja erst fünf Mal) und verlangt dann nach Passfotos. Wir sind erstaunt, dass diese widerspruchslos akzeptiert werden. Was? Nicht zu klein, zu gross, zu farbig, zu hässlich? Der Herr Konsul tackert alles schön zusammen und sagt befriedigt: In einer Woche können Sie das Visum hier abholen. Wir schauen uns an. Hier? Neinnein, Herr Konsul, wir wollen es in Ankara abholen. Er schaut uns einen Moment verduzt an und sagt: No problem! Das ist das erste und einzige Mal, dass wir „no problem“ gehört haben.
Szenenwechsel. Sieben Tage sind verstrichen. Nachdem wir in Ankara während Tagen erfolglos versucht hatten, das turkmenische Konsulat in Istanbul und die turkmenische Botschaft in Ankara telefonisch zu erreichen (entweder man versteht kein Wort, man vertröstet uns oder man nimmt in den meisten Fällen schon gar nicht erst ab) setzen wir uns in einen Stadtbus, der uns flotterweise direkt zur turkmenischen Botschaft bringt.
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Turkmen Embassy in Ankara, Koza Sokak No. 28, Çankaya, Ankara
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Öffnungszeiten: Mo/Di/Do/Fr 9-12 Uhr
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Telefon: (+90) 312 441 71 22 (oder ..3 und ..4)
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Anfahrt: Es fahren mehrere Busse Richtung Çankaya, von der Haltestelle geht es den Berg hoch, die Botschaft ist gegenüber dem Boutique Hotel Bianco.
Das hässliche Gebäude sitzt zuoberst auf einem Hügel, es gibt keine Warteschlangen und auch keine komischen Kopiertheken. Der Mann hinter dem Fenster versteht allerdings kein Wort. Turkish? Wir verneinen, reichen aber unsere Pässe durchs Fenster und sagen: Visa, abholen, jetzt! Der Mann hinter dem Fenster scheint unmotiviert, und sagt in brüchigem Englisch, dass wir zwei farbige Passkopien bräuchten… HIMMELNEIN! Istanbul, Visa beantragt, jetzt abholen, gopfridstutz! Irgendwann kommt ein netter, junger Herr ans Fenster. Er kann perfekt Englisch, und wir atmen auf. Schweizer? Ach, die Schweiz sei ein wunderbares Land (wir überlegen kurz, ob wir das Kompliment erwidern können, finden dann aber, das wäre zu fest gelogen) mit einer wunderbaren Armee (hä?). Er sei zudem beste Freunde mit einem Kollegen aus der Schweizer Botschaft, und wir schöpfen Hoffnung, dass jetzt endlich alles gut kommt. Der nette junge Herr diktiert dem älteren unmotivierten Herr, was wir wollen. Ein paar Telefonate später dann die Ernüchterung. Nein, unsere Visa sind noch nicht angekommen. Vielleicht übernächsten Freitag… wenn überhaupt. Abholen in Teheran? No problem!
Haha.
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