Neuseeland

Auf dem fünften Kontinent

Beim Anflug auf Downtown Sydney atmen wir ein erstes Mal erleichtert auf. Was auf unsere Netzhaut trifft, gefällt uns auf Anhieb. Eine herrlich schroffe Küste, urbaner Grossstadtdschungel, freundlicher Sonnenschein und Menschen, die man versteht! Wir hatten uns heimlich ja schon für etwas verrückt gehalten. Oder besser, zivilisationsentfremdet. Denn in Neuseeland hatten wir stets das Gefühl, wie zwei asoziale Marsmenschen durch die Gegend zu steuern und ständig irgendwo anzuecken.

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Zum Beispiel beim Lebensmitteleinkauf in einem 1000-Seelen-Dorf. Damit wir den Fussgängern den Weg nicht versperren, stellen wir unsere Räder ganz einfach in eine freie Parklücke. Ergibt Sinn, denken wir. Nicht der Neuseeländer. „You might wanna park your bikes somewhere else“, werden wir diplomatisch darauf hingewiesen, dass wir im autofreundlichen Neuseeland soeben eine Todsünde begangen haben. Also eigentlich hiess es ja: „Yümaitwinnapiakiübaikssümwiails“. Da ich den Mann nur entgeistert anstarre, ergänzt er – nun schon merklich peinlich berührt – dass eben jetzt die Rush-Hour beginne. Die Stosszeit für ‚Fish and Chips‘! Das ist jenes Gericht, das im Rohzustand Kartoffel und Fisch beinhaltet, und dann so lange im heissen Öl frittiert wird, bis auch der hinterletzte Maori an Gewichtsproblemen leidet. Und tatsächlich. Als wir unsere Räder schleunigst wegräumen, ist die Parklücke in Sekundenschnelle besetzt. Es ist eine Mutter mit zwei Kindern, die sich nach Feierabend zur Fish-and-Chips-Bude stürzt. Die Schlange vor dem Fastfood-Schuppen reicht mittlerweile schon bis aufs Trottoir hinaus. „The best in town“, sagt der Mann, der unsere entsetzten Blicke verfolgt und dem nun alles noch viel peinlicher ist. Er trollt sich schleunigst von dannen – wir ahnen es: an die Theke mit Frittiertem.

Ebenfalls wie unzivilisierte Barbaren fühlen wir uns auf der Zugfahrt, die uns von der Südspitze der Nordinsel ins Landesinnere bringt. Die einzige Zugsverbindung des Tages fährt um 19:30 los. Ideal also für ein Picknick im Zuge, denkt sich der Kluge. Brot u Chäs und ein Schlückli Weisswein, ja, der Abend ist perfekt. Bis der Kondukteur vorbeikommt, auf unserer Höhe zur Salzsäule erstarrt, die Weinflasche im Zeitlupentempo aus der Papiertüte zieht und uns mit ernster Mine mitteilt, dass wir hier illegal Wein tränken! Wir sind selbstverständlich entsetzt. Dass es verboten ist, eigenen Alkohol im Zug zu konsumieren, damit von der bordeigenen Bar „zwangsumiert“ wird, das stand leider weder auf unserem Ticket noch sonst irgendwo. Tja.

Zum Abschluss unseres Neuseeland-Abenteuers treffen wir auch noch auf einen bekennenden Velohasser. Wir sind spät unterwegs und schlagen deshalb ein zügiges Tempo an. Man will ja noch bei Licht im Zelte sein. Da entdecken wir etwas, was wir in Neuseeland fast nie getroffen haben. Einen Veloweg! Und was für einen! Er ist geschätzte 40 Zentimeter breit und anstatt flach der Strasse zu folgen, geht er ständig auf und ab. Da wir keine Zeit verlieren wollen und mit unseren sperrigen Seitentaschen sowieso jeglichen entgegenkommenden Velofahrer wegrasiert hätten, bleiben wir auf der Strasse. In voller Fahrt geht es zügig voran, bis mich ein Neuseeländer im Pickup überholt, vor mir anhält und mit den Armen rudert, als sei die Schwiegermutter im Hintersitz vom Herzinfarkt getroffen. Schweren Herzens ziehe ich also die Bremse. Der bärtige Herr teilt ungehalten mit, dass man wegen ‚folks like you‘, Gesindel wir uns, einen Veloweg gebaut hätte! Und dass es ja gar nicht ginge, dass wir jetzt auf der Strasse fahren! Denn man hätte EXTRA diesen Veloweg gebaut. Für uns! Ob wir das eventuell übersehen hätten? Obwohl ich vor Wut innerlich koche, enthalte ich mich zynischer Kommentare und fahre weiter. Als sich keine zweihundert Meter weiter vorne der extra für uns gebaute Veloweg übrigens in Nichts auflöst, komme ich dann doch kurz ärgerlich ins Schnauben…

Und nun sitzen wir also im Flugzeug nach Australien und sind gespannt auf unseren kurzen Zwischenstopp vor der Heimreise. Gemeinsam kleben wir beim Landeanflug an unserem Plexiglasfenster und schauen gebannt hinunter: Glitzerndes Meer, riesige Tanker, die Grossstadt glänzt. Es ist Liebe auf den ersten Blick.

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Abgeholt werden wir von unseren australischen Velofreunden Eve und Alex, die wir ein halbes Jahr zuvor im usbekischen Buchara zum ersten Mal getroffen hatten. In den nächsten Tagen werden wir von unseren Gastgebern verwöhnt, wie es nur geht. Wir unternehmen Küstenwanderungen, lernen die beste Gelateria der Stadt kennen, wandeln durch Parks und Gärten, bestaunen das Opernhaus, lachen über die bizarren Installationen des Kunstmuseums, essen Nudeln beim authentischsten Chinesen der Stadt, lernen an der hauseigenen Kaffeemaschine das Barista-Handwerk, treffen uns mit einer Gruppe von Freunden zum chinesischen Barbecue, degustieren australischen Wein und französischen Käse und spielen bis in alle Nacht. Es ist definitiv schöner, eine Stadt durch die Augen der Einheimischen zu entdecken (siehe Fotogalerie). Thank you guys, it was wonderful!

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